[361] * Spanien. – Wir bleiben hier in der, wider Willen unterbrochenen, Ordnung in Ansehung dieses Artikels und reihen die in diesem Lande vorgefallenen so wichtigen Begebenheiten an die im VI. Th. S. 22. am Schlusse erwähnte unglückliche Katastrophe an. Leider! sah sich Spanien zur Theilnahme an dem erneuerten Kriege zwischen Frankreich und Grosbritannien gezwungen, indem letzteres seinem Interesse nicht angemessen fand, die Neutralität Spaniens ferner zu gestatten. Zwar wurde dieses in der ganz ersten Zeit, nach dem Wiederausbruche des Krieges in Ruhe gelassen, und die Verbindlichkeiten, welche Spanien durch einen Tractat von Ildephons (v. 19. Aug. 1796) gegen Frankreich übernommen hatte, diesem 15 Linienschiffe und 24,000 Mann Landtruppen zu stellen, fanden durch das veränderte Interesse jener beiden Hauptmächte mehrere Modificationen, so daß Spanien sich einer unmittelbaren Theilnahme an dem Kriege zu entziehen hoffte. Endlich kam nach langen Unterhandlungen am 30. Oct. 1803 zwischen Frankreich und Spanien eine Convention zu Madrit zu Stande, wodurch Frankreich die vorgedachten Leistungen erließ, und dafür eine jährliche Subsidie, so lange der Krieg dauerte, in monatlichen Zahlungen (und zwar monatlich 4 Millionen Lior.) von Spanien zugesichert erhielt. Da aber dieser Vertrag nicht authentisch bekannt gemacht wurde, so schien zwar England Anfangs die Neutralität respectiren zu wollen, ward aber dann doch in der Folge aufmerksam und mistrauisch, und verlangte darüber von Spanien Aufklärung. Durch unzulängliche, ausweichende Antworten nur immer mistranischer gemacht, protestirte die englische Regierung gegen jene Convention, als eine Verletzung der Neutralität, erklärte sie [361] für einen vollgültigen Rechtsgrund zum Kriege, dafern jene Verbindlichkeit auf längere Zeit dauern würde u. s. f. Bei einer hierauf erfolgten Unterhandlung erklärte auch der grosbritannische Geschäftsträger, daß, im Fall die Subsidien an Frankreich fortgezahlt würden, der Krieg unvermeidlich sei. Immerfort blieb der spanische Hof, außer der Erklärung, daß jene Subsidie nur für den Augenblick gezahlt werde, bei der allgemeinen Versicherung, daß man mit England ernstlich wünsche in Frieden zu bleiben, und so ging die erste Hälfte des Jahrs 1804 hin, bis endlich im Juli, durch Nachrichten von neueren Ausrüstungen in den spanischen Häfen bewogen, Grosbritannien auf Einstellung der Rüstungen und nochmals auf nähere Auskunft über jene Convention drang, zugleich aber auch, und da keine hinlängliche Befriedigung erfolgte, den Befehl an alle Anführer der Flotten und Kriegsschiffe sandte, alle spanische mit Schätzen beladene Schiffe anzuhalten. Dieser Befehl, der schon am 5 Oct. von dem Capitain Moore gegen eine aus la Plata kommende spanische Flotte ausgeführt wurde, gab zu einem Gefechte Veranlassung, wobei die letztere sich den Engländern ergeben mußte, und 4 Millionen Thaler von diesen in Beschlag genommen wurden. Indessen hatte auch schon der grosbritannische Geschäftsträger, da er noch keine befriedigende Antworten erhielt, seine Pässe zur Abreise wiederholt verlangt, und war den 14. Nov. von Madrit abgereiset. So erfolgten nun von beiden Seiten die Kriegsmanifeste, wo jede Macht – wie gewöhnlich – ihr Verfahren zu rechtfertigen suchte: indessen erhielt jetzt Frankreich durch diesen Bruch an Spanien einen Kriegsgenossen, durch welchen seine Macht, besonders gegen England, eine ansehnliche Verstärkung erhielt. Ja selbst in der Folge wurden sogar spanische Truppen nach Deutschland übergesetzt, um hier gemeinschaftlich mit französischen und holländischen Truppen ein Observationscorps an der Elbe zu bilden.
Doch eine der merkwürdigsten Umänderungen stand noch in diesem von den außerordentlichsten Ereignissen begleiteten ersten Zehend unsers Jahrhunderts dem spanischen Reiche bevor. Es war am 30. Oct. 1807, als der König Carl IV. auf einmal allen seinen Collegien [362] einen Anschlag, welcher von Seiten seines Sohnes und Thronfolgers, des Prinzen Ferdinand von Asturien, auf seine Person und seine Krone gemacht worden, mittheilte, und ihnen zugleich eröfnete, daß die Mitschuldigen verhaftet, sein Sohn arretirt sei. Bald darauf, den 5. November, machte zwar der König bekannt, daß er seinem Sohne, da dieser die Anstifter des Complotts angegeben und innige Reue bezeigt, verzieben habe; auch wurden mehrere Granden und Staatsbedienten verhaftet und verwiesen, und die Sache schien in Stillschweigen begraben, als dennoch auf einmal im März 1808 eine neue, weit fürchterlichere Empörung ausbrach, deren eigentliche nähere Veranlassung zwar bis jetzt in einem gewissen Dunkel geblieben ist, deren Resultate aber darin bestanden: Am 16. März, wo sich der König zu Aranjuez befand, brach auf einmal der furchtbarste Tumult, der hauptsächlich gegen den sogenannten Friedensfürst1 gerichtet [363] zu sein schien, aus. Der Pallast desselben wurde erstürmt, alles zerschlagen; der Fürst selbst, der sich Anfangs versteckt hatte, aufs schrecklichste gemishandelt, und, mit Wunden bedeckt, mit Mühe und Noth in Sicherheit gebracht; worauf am 18. der König von dem nahen Durchmarsche französischer Truppen durch Madrit und Cadix benachrichtiget, eine Proclamation erließ, worin er die gute Aufnahme dieser Truppen anbefahl, und durch eine andre zugleich erklärte, daß der Prinz de la Paz seiner Aemter entlassen sei, und der König den Oberbefehl seiner Truppen selbst übernehmen wolle. Allein schon am folgenden 19. März, da der Aufruhr immer mehr zunahm, erließ der König eine Bekanntmachung, worin er, wegen anhaltender Schwächlichkeit, der Krone zu Gunsten seines Sohnes, des Prinzen von Asturien, entsagte, und diesen nun als König und Herrn von ganz Spanien erkannt wissen will! und sofort trat denn nun auch dieser bisherige Prinz unter dem Namen Ferdinand VII. die Regierung an. – Schon am 24. März rückte der Grosherzog von Berg, der zeither in Burgos sich aufgehalten hatte, mit einer französischen Armee in Madrit ein, die nun auch hier blieb; denn kaum 2 Tage nach jenem Aufstande (den 21. März) sendete der vorige König Carl VI. ein Schreiben an den franz. Kaiser Napoleon, worin er erklärte, daß er, nur durch Gewalt gezwungen, und um seiner und der Königin Ermordung vorzubeugen, der Krone entsagt habe, daß er feierlich dagegen protestire, sich in des Kaisers Arme werfe und diesem die Entscheidung über sein Schicksal übergebe. Napoleon empfing dieses Schreiben zu Bayonne, wo er den 15. April angekommen war, und bald erschienen hier, vielleicht zum Theil auf des Kaisers Veranlassung, nicht nur der anmasliche König Ferdinand VII., sondern auch der alte König Carl IV. mit seiner Gemalin und der Prinz de la Paz. Jener, der Prinz von [364] Asturien – denn als solcher wurde er auch nur hier anerkannt – konnte wol gar bald aus seiner ganzen Aufnahme sein Schicksal ahnden, obgleich auch schon vorher ein Schreiben des Kaisers ihm die Misbilligung seiner Empörung deutlich genug zu erkennen gegeben hatte. Als nun noch hinzukam, daß während des Aufenthalts aller dieser Personen zu Bayonne, am 2. Mai ein furchtbarer Aufstand zu Madrit gegen die Franzosen ausbrach, welcher zwar schnell, aber doch unter vielem Blutvergießen noch an demselben Tage von dem Grosherzog von Berg getilgt wurde, so legte sogleich am 6. Mai, wo diese Nachricht in Bayonne ankam, der Prinz eine Krone nieder, die er kaum 6 Wochen besessen hatte, und die wol selten kümmerlicher und schimpflicher getragen wurde, als von ihm. Der König, an welchen er sie durch ein Schreiben wieder zurückgab, ernannte sofort den Grosherzog von Berg zum General-Lieutenant des Königreichs und erließ auch dem gemäs, an die Regierungsjunta, an den Rath von Castilien und den Kriegsrath offene Briefe; allein auch diese wieder angenommene Regierung des alten Königs dauerte nicht länger als – zwei Tage; denn schon am 8. Mai zeigte er in einer Bekanntmachung an die obersten Behörden an: »daß er alle seine Rechte auf die spanischen Reiche an seinen Bundesgenossen und Freund, den Kaiser von Frankreich, abgetreten habe.« Auch die Prinzen des Königs traten in einer unterm 12. Mai erlassenen Proclamation dem Vertrage der völligen Verzichtleistung der Rechte und Ansprüche der Bourbons auf den spanischen Thron, welche von ihrem Vater bereits in ihrem Namen mit zugestanden und beurkundet war, bei. Zu Folge des Entsagungs-Vertrags (unterzeichnet schon am 5. Mai 1808.) macht sich der Kaiser anheischig, dem König, der Königin, seiner Familie, dem Friedensfürsten etc. Zuflucht in seinen Staaten zu gewähren, und garantirt denselben zugleich eine Civilliste von 30 Mill. Realen aus dem Schatz der Krone; 2 Mill. sollen nach des Königs Tode das Witthum der Königin ausmachen; den Infanten von Spanien und ihren Erben wird eine jährliche Rente von 400,000 Franken ausgesetzt (in dem [365] Abtretungsvertrag mit dem Prinzen v. Asturien wurde diesem noch besonders eine Rente von 600,000 Franken zum lebenslänglichen Genuß, wovon die Hälfte auf seine ihn etwa überlebende Gemalin gehen soll, gestattet); übrigens dem König das Schloß Chambord mit allem Zubehör zur freien Disposition gegeben.
So endete denn die Regierung der Bourbons in Spanien, das so lange mit Frankreich rivallsirte, durch Resignation des letzten Besitzers von diesem Stamme. Napoleon erließ nun unterm 25. Mai ein Decret, wodurch die Zusammensetzung einer Junta – einer allgemeinen Versammlung der Depulirten aus den Provinzen und Städten, um die Wünsche, Forderungen und Beschwerden der Nation zu hören, angeordnet und eine neue Constitution verheißen wurde. Bald darauf erfolgte auch unterm 6 Juni eine Proclamation, worin er seinen Bruder Joseph Napoleon (bisherigen König von Neapel) zum König von Spanien und Indien erklärte, wobei er ihm zugleich die Unabhängigkeit und Integrität aller seiner Staaten sowol in Europa, als in Africa, Asien und America garantirte. Am 15. Juni versammelte sich denn nun die Junta zu Bayonne, deren Hauptgegenstand zugleich die Prüfung des Entwurfs einer neuen Constitution ausmachte, die denn auch am 7. Jul. in der feierlichen 12ten und letzten Sitzung vorgelesen, einstimmig angenommen und von beiden Seiten feierlich beschworen wurde. Der neue König Joseph Napoleon hielt nun, nachdem er am 9. Juli aus Bayonne abgereist war, seinen Einzug nach Spanien, und am 25. in Madrit. Allein es hatte unterdessen schon beinahe sechs Wochen lang der Krieg in dem Innern des Reichs, namentlich in den südlichen und östlichen Provinzen Spaniens: Andalusien, Castilien, Murcia, Valencia, Katalonien etc. gewüthet, und ein großer Theil der Spanier, in der höchsten Insurrection begriffen, Greuelscenen aller Art aufgestellt. Der größte Theil der Insurgenten nämlich, oder der Häupter und Anführer derselben ging von dem Grundsatze aus: die erste Resignation Carls IV., zu Gunsten seines Sohnes, sei wirklich freiwillig und rechtmäßig, allein die[366] zweite, zu Gunsten Napoleons, sei erzwungen gewesen. Man erkannte und erklärte also den Prinz von Asturien durch eine zu Castilien versammelte Junta für den rechtmäßigen König, als welcher auch derselbe d. 24. Aug. ausgerufen wurde, und ergriff die Waffen, um ihn und die Nation in ihren Rechten zu behaupten. Die Chefs behandelten diesen Krieg theils als einen für die Rechte des Königs und der Nation, theils als einen für Religion und Kirche zu führenden Krieg. – Der König, kaum erst in Madrit eingezogen, sah sich schon am 1. Aug. genöthiget, dasselbe wieder zu verlassen und sich nach Burgos unter dem Schutz der französischen Armee zu begeben, indessen die ganze Armee Erfrischungsquartiere bezog. Zwar führten die französischen Generale, und hauptsächlich der Marschall Bessieres in den nördlichen Provinzen: Navarra, Biscaya, Alt-Castilien und Leon, den Krieg mit vielem Glück, und mehrere Provinzen wurden unterworfen und entwafnet; allein in Andalusien ging es weniger glücklich: hier erhoben sich die Insurgenten, durch englische Hülfe verstärkt, aufs neue, schnitten die Communication mit Madrit ab, und schlugen den General Dupont, der sich zur Capitulation genothigt sah u. s. f. – Alle diese Umstände bewogen den Kaiser Napoleon zu dem Entschlusse, diesem Kriege eine wirksamere Wendung zu geben, und Spaniens Schicksal definitiv zu entscheiden. Es wurden zu diesem Behufe und auf eine unterm 5. Sept. erlassene Bothschaft des Kaisers, eine neue Aushebung von 160,000 Mann durch die Minister der auswartigen Angelegenheiten und des Kriegs decretirt, und es eilten nunmehr sehr starke Truppencorps, und selbst (im Oct.) die kaiserlich französische Garde nach Spanien zu. Mehrere wichtige Schlachten bei Burgos, bei Espinosa (10. Nov.), bei Tudela (23. Nov) vernichteten einen großen Theil der Insurgenten-Armeen, und am 4. Dec. zogen wieder französische Truppen in Madrit ein. Durch mehrere Decrete wurden die Anführer der Insurrection für Feinde Frankreichs und Spaniens erklärt; die Mitglieder des Raths von Castilien ihrer Aemter entsetzt; ein Cassationshof errichtet; der Inquisition in Spanien ein Ende gemacht; die Zahl der Klöster auf den [367] dritten Theil eingeschränkt; alle Feudalrechte in Spanien aufgehoben etc. Eine Deputation bat den Kaiser, ihnen die Gegenwart des Königs Joseph wieder zu schenken: eine Bitte, die – es sei erlaubt, einen kleinen Sprung über die in diesem Werke gesetzte chronologische Grenze hinaus zu thun – ihnen auch gewährt wurde, indem den 22. Jan. 1809 der König Joseph wieder in Madrit einzog.
Die neue Constitution nun, um ihrer noch kürzlich zu gedenken, bestimmt die katholische Religion in Spanien als die herrschende und einzige. Die Krone ist in der Person des Prinzen Joseph Napoleon erblich; in Ermangelung männlicher Nachkommen (die Weiber sind für immer ausgeschlossen) fällt die Krone an Napoleons männliche Erben, außer denen an des Prinzen Ludwigs – Hieronymus – etc. männliche Nachkommen; auch soll die spanische Krone nie mit einer andern auf Einem Haupte vereinigt werden. Der König ist bis mit dem 18. Jahre minderjährig. Die Einkünfte des Königs sollen sich jährlich auf 1 Mill. Piaster belaufen. Es sind 6 Grosofficiers des königl. Hauses, 9 Ministers; der Senat besteht aus dem Infanten und aus 24 vom König ernannten Individuen; der Staatsrath, unter dem Präsidium des Königs, besteht aus 30 bis 60 Mitgliedern. Die Cortes, oder Nationalversammlung, bestehen aus 172 Mitgliedern und sind in 3 Bänke vertheilt, die der Geistlichkeit des Adels, des Volks; sie versammeln sich wenigstens einmal alle drei Jahre, und zwar auf eine Verordnung des Königs; jedoch sind ihre Sitzungen nicht öffentlich. – Die spanischen Königreiche in Amerika und Asien haben dasselbe Recht als das Hauptland. Spanier und Indier werden nach Einem Civil-Codex gerichtet. Die Richter werden vom König ernannt: es giebt Friedensrichter, Tribunale der ersten Instanz, Appellationsgerichte, ein Cassationsgericht fürs ganze Königreich, und ein hohes königl. Gericht. – Die Auflagen sind gleich im ganzen Königreich, alle Privilegien werden unterdrückt. – Universitäten, deren Spanien bis 1807 an 22 hatte, sind auf 11 bestimmt. – Der Abschaffung der Klöster bis auf ein Drittheil, ingleichen des [368] Inquisitionstribunals und des Lehnwesens ist schon zuvor gedacht worden.
1 Dieser Günstling des Königs und der Königin, mit seinem eigentlichen Familien-Namen Godsi, war Anfangs bloßer Leibgardist; er hatte das Glück, der damaligen Prinzessin von Asturien theils wegen seiner schönen, kräftigen Figur, theils wegen seines musikalischen Talents zu gefallen, stieg bald und besonders nach dem Tode des Königs, Carls III., von einer Stufe der Ehre und des Glanzes zur andern, ja zur höchsten, nämlich der eines spanischen Granden (er war bis zum Herzog v. Alcuida gelangt) und wurde dabei mit Reichthümern überhäuft – eine Höhe, die er kaum binnen zwei Jahren erstiegen hatte. So erlangte er zugleich, obschon im Civil ohne öffentlichen ministeriellen Charakter, den bedeutendsten Einfluß, selbst in Staatssachen: er beherrschte die Königin; die Königin den König und so ging alles durch ihn, und keine Stimme durfte es wagen, gegen ihn laut zu werden; das Vertrauen des Königs war eben so unerschütterlich, als die Gunst der Königin. Im Jahr 1795 wurde er zum Prinz de la Paz (Friedensfürst) erhoben, und im Jahr 1797 mit einer Prinzessin des königlichen Oheims vermählt. Wie sehr nun aber dieser Günstling des Glücks in jedem Fall den Neid und Haß aller Granden von Spanien, und aller Höflinge auf sich ziehen mußte, bedarf keiner weitern Auseinandersetzung. –
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