[92] Antoinette (Marie), Königin von Frankreich, geb. am 2. Nov. 1755, war die Tochter des deutschen Kaisers Franz I. und der Maria Theresia, und die Schwester Joseph II.
Sie ward nicht nach der damals an den Höfen herrschenden strengen Etikette erzogen, sondern freier und lebensvoller. Sie hatte höchst anmuthige Züge, einen schönen Körperbau und eine ausnehmende Grazie; im Übrigen ruhte der Geist ihrer Mutter und ihres Bruders auf ihr, welchen auszubilden man sorgsam bemüht gewesen war. Als sie 14 Jahr alt war, ward sie mit dem Dauphin Ludwig von Frankreich, dem Enkel König Ludwig XV., verlobt. Die Feierlichkeiten bei ihrer Vermählung zu Paris endeten sehr traurig, denn es brachen am 30. Mai 1770 die Festgerüste ein und viele Menschen verloren dabei das Leben. Auch schien die Ehe selbst, gegen welche A. seit ihrer Verlobung eine große Abneigung gezeigt hatte, anfangs nicht glücklich zu werden, da die Charaktere der Neuvermählten zu verschieden waren; Ludwig war still, ernst und verschlossen, sie heiter und lebensfroh. Doch ein zarteres und innigeres Verhältniß bildete sich zwischen ihnen, nachdem A. am 19. Dec. 1778 ihm eine Tochter, Maria Theresia Charlotte, nachmals Herzogin von Angoulême, geboren. Ludwig war indessen 1774 König geworden. Ihr Widerwille aber gegen die franz. Etikette und ihre treffenden Witze über das Hofleben im Allgemeinen, wie über einzelne Personen zogen ihr den Haß des franz. Hofadels zu, der sich, als sie freiere Formen in ihrer Umgebung einführte, wodurch sein bisheriger Einfluß litt, durch Verleumdungen zu rächen suchte. Man beschuldigte sie der Untreue, redete von vertrautem Umgange zwischen ihr und dem Grafen Artois, dem Bruder des Königs, und brachte die unwürdigsten Dinge über sie allmälig unter das Volk. Am Verderblichsten aber ward für sie die berüchtigte Halsbandgeschichte. Der Cardinal, Louis Prinz von Rohan nämlich bemühte sich um ihre Gunst und eine Hofdame, die Gräfin de la Motte, erbot sich, seine Absichten zu unterstützen. Auf ihre Veranlassung ward angeblich für die Königin bei dem Hofjuwelier ein Halsband für eine Million Livres gegen einen Wechsel des Cardinals gekauft. Nachdem die Gräfin diesen Schmuck nach England in Sicherheit gebracht, wußte sie fortwährend den Cardinal durch falsche Briefe zu täuschen und veranstaltete sogar einmal des Abends in einem Gebüsch des Hofgartens eine Zusammenkunft zwischen ihm und einer Person, welche der Königin ähnlich sah und von ihr für diese ausgegeben ward. Obschon später die Untersuchung, als der Juwelier Zahlung verlangte und Niemand zahlen wollte, die Unschuld der Königin darlegte, so glaubte das Publicum doch damals daran, daß Seitens der Königin unziemliche Dinge vorgegangen seien. Haß und Verachtung der Nation lasteten daher schon vor dem Ausbruche der Revolution auf der gewiß eben so schuldlosen als liebenswürdigen Fürstin. Die Revolution entschied aber ihr trauriges Schicksal. Sie nahm in derselben eifrig Partei für die Behauptung der alten Staatsformen und ihre Rathschläge wirkten oft verderbenbringend auf den König; besonders trat sie dem, vom Volke sehr geliebten Minister Necker entgegen. Daher warf die demokratische Partei einen grenzenlosen Haß auf sie und mehremal suchte man sie zu morden. Ihre Erbitterung gegen die Revolution und deren Freunde kannte deshalb ebenfalls keine Grenzen, so dringend nothwendig auch oft Verstellung gewesen wäre. Mit der treuesten Liebe war sie dem Könige ergeben und theilte heldenmüthig mit ihm jede persönliche Gefahr. Doch je weiter die Revolution vorschritt, je größer ward ihr Schmerz; ihre Frauen sahen sie oft in Thränen zerfließen, und als die kön. Familie auf ihrer Flucht zu Varennes angehalten und nach Paris zurückgeführt ward, bleichte in einer Nacht vor Gram ihr schönes Haar. A. ward bald darauf mit ihrem Gemahl am 13. Aug. 1792 in das Gefängniß des Tempels gesetzt, sah ihn zum Tode führen und schmachtete seitdem, von ihren Kindern entfernt und jeder Bequemlichkeit beraubt, in dem feuchten und finstern Kerker der Conciergerie in strenger Hast, während welcher Zeit sie beinahe ein Auge verloren und überhaupt außerordentlich sich verändert hatte, bis man sie am 14. Oct. 1793 vor das Revolutionstribunal stellte, wo sie der unnatürlichsten Vergehungen, namentlich der Verführung ihres geliebten Sohnes beschuldigt ward, worauf sie mit Unwillen antwortete: »Wegen dieser Beschuldigung appellire ich an das Herz der Mütter, ob solche möglich ist.« Schon am 16. sprach das Blutgericht das Todesurtheil über sie aus, das noch an demselben Tage vollzogen ward. Ein deutscher Baron, Batz, hatte einen Plan zu ihrer Befreiung entworfen. da aber derselbe darauf berechnet war, ihre Kinder zurückzulassen, so verwarf sie denselben und ging muthig in den Tod.