Tempel

[383] Tempel (von dem lat. templum und contemplari, dieses von der religiösen Betrachtung des Himmels und der natürlichen Dinge gebraucht) bedeutet ursprünglich das Gewölbe des Himmels, oder einen im Freien gelegenen heiligen Ort, der zur Betrachtung der Zeichen der Gottheit, der Sterne, des Vogelflugs u.s.w. geeignet ist, dann aber ein zur Verehrung einer Gottheit bestimmtes Gebäude. Diese zu Wohnstätten für die Götter gemachten Gebäude waren ursprünglich höchst einfach, oben offen und ohne Fenster; später wurden sie die herrlichsten Denkmäler der schönen Baukunst. Bei der Auswahl des Platzes, an welchem der Bau vorgenommen werden sollte, berücksichtigte man die Eigenschaften und Lieblingsneigungen der Götter und baute die Tempel bald in Städte, bald auf Berge, bald in Wälder und Thäler, bald an Flüsse, Landstraßen u.s.w., dabei gab man ihnen eine solche Lage, daß die Strahlen der Sonne, beim Aufgange derselben, den Eingang beleuchteten. Sie waren meistens viereckig, doch mehr länglich als breit, selten rund. Der Eingang befand sich in den frühesten Zeiten auf der westl. Seite und die Götterbilder und Altäre im Innern waren auf der östl. aufgestellt; später fanden umgekehrte Verhältnisse statt. Die Tempel selbst theilten sich in zwei Theile, in den Vortempel und in den eigentlichen Tempel. Jenen durfte Jedermann betreten, der eigentliche Tempel aber stand nur dem Priester offen, der regelmäßig die Gebräuche des Gottesdienstes verwaltete. Das geheimnißvolle Dunkel sollte hier das entsprechendste Symbol sein für die selbst verborgene Gottheit und für die von Menschen ihr schuldige heilige Ehrfurcht. Die Vielgötterei machte die Tempel sehr zahlreich und jede bedeutende Stadt hatte auch bedeutende, durch ihren Ruhm ausgezeichnete Tempel, deren Überreste noch jetzt die Zeugen von der Religion und Cultur der gebildeten Völker des Alterthums sind. Im A. T. führen die heidnischen Tempel die gehässigen Namen: Haus der Höhen, der Hurer, Haus voller Tücken, der Bosheit, des falschen Gottesdienstes, Haus der Götter, Götzenhaus, Haus des Greuels u.s.w.

Merkwürdig durch das Eigenthümliche und Prächtige seiner Bauart, durch seine religiöse und nationale Bedeutung, als Sitz einer reinern Gottesverehrung und als Mittelpunkt der Vereinigung eines ganzen Volks, für das er noch jetzt ein Gegenstand der Trauer und der Sehnsucht ist, war der Tempel zu Jerusalem. Der Bau desselben begann im 4. Jahre der Regierung Salomo's (1012 v. Chr.) und dauerte sieben Jahre. Als Bauleute werden fremde, namentlich phönizische Künstler genannt, die der König Hiram dem Salomo nebst Holz vom Libanon gesendet hatte. Der Hügel Moriah, auf welchem er aufgeführt wurde, mußte erst geebnet und an der Ostseite durch Mauern von Quadersteinen aus dem Thale befestigt werden. Der Tempel selbst war 60 Ellen lang, 20 breit und 30 hoch, von welchem Raume auf die vordere Abtheilung oder das Heilige 40 Ellen in der Länge, auf die hintere Abtheilung oder das Allerheiligste 20 Ellen in der Länge, Breite und Höhe kam. An der vordern d.h. östl. Seite des Eingangs befand sich eine Halle, die von zwei ehernen Säulen, Jachin und Boas (d.h. Festigkeit und Stärke), getragen ward. An den drei andern Seiten war das Gebäude von einem Umbau dreier über einander aufgeführter Stockwerke von Zimmern umgeben, die unter sich durch Thüren verbunden und zu Vorraths- und Schatzkammern bestimmt waren. Ihre Höhe betrug 15 Ellen und sie reichten nur bis zur Hälfte der Tempelhöhe hinaus. Im Innern waren die Decke und die Wände des Tempels mit Bohlen von Cedernholz getäfelt, der Fußboden bestand aus Cypressenpfosten. Getäfel und Dielen hatten einen Überzug von Goldblech, durch welches an den Wänden kunstreiches Schnitzwerk, wie Cherubim, Palmen, Blumen sich ausdrückte. Das Balkenwerk der Tempeldecke war aus Cedernbalken gefertigt. Im Innern des Tempels war das Allerheiligste vom Heiligen durch eine Cedernwand abgeschieden. Den Eingang in jenes verschloß eine Flügelthür aus Ölbaumholz, den ins Heilige eine solche aus Cypressenholz, verziert mit Schnitzwerk, das mit Goldblech überzogen war. Fenster und zwar Gitterfenster, die eingemauert waren und nicht geöffnet werden konnten, gab es nur am Heiligen und diese dienten nicht zur Erleuchtung, die von den Lampen bewirkt wurde, sondern um die Räucherdüfte herauszulassen und die Luft im Innern zu erfrischen. Die nächste Umgebung des Tempels bildeten zwei Vorhöfe. Der innere hieß der Priestervorhof und in demselben befanden sich der Brandopferaltar, das Bassin (eherne Meer) zu den Reinigungen und andern Geräthschaften, der äußere war für das Volk. Der Tempel Salomo's war demnach mehr prächtig als großartig, das Ganze, namentlich im Innern, klein, wie überhaupt die Tempel der Alten nicht sehr geräumig waren. Er wurde 588 durch Nebucadnezar, nach der Erstürmung Jerusalems, zerstört und den Flammen übergeben, nachdem er im Ganzen 417 Jahre gestanden hatte. Auf der Stelle, sowie nach dem Plane des zerstörten Salomonischen Tempels wurde nach der Rückkehr der Juden aus dem Exil unter Serubabel und Esra von 534–516 ein neuer Tempel gebaut, der aber dem ältern an Größe und Pracht weit nachstand. Die Periode des höchsten Glanzes trat für den Tempel ein, als Herodes der Große, um zugleich den Juden zu schmeicheln, einen neuen Umbau desselben unternahm, der in beinahe zehn Jahren vollendet, prachtvoll und in großem Maßstabe angelegt wurde. Die Anlage war terrassenförmig, sodaß ein Vorhof immer höher lag als der andere, der Tempel selbst aber am höchsten, weshalb er in der ganzen Stadt gesehen werden konnte und besonders im Sonnenschein einen herrlichen Anblick gewährte. Das Tempelhaus war von weißem Marmor gebaut, 100 Ellen hoch, ebenso lang, 60 Ellen breit, mit reicher Vergoldung versehen, die Außenseite mit Goldblech belegt, das Dach glatt und auf demselben goldene Spitzstangen zum Verscheuchen der Vögel angebracht. Die Vorhalle an der Morgenseite, 100 Ellen hoch und breit, bildete an jeder Seite [383] des Tempels einen Vorsprung von 20 Ellen und hatte ein Thor zu 70 Ellen Höhe und 25 E. Breite. Darüber zeigte sich ein kolossaler goldner Weinstock, dessen Trauben in Menschengröße herabhingen. Das Allerheiligste stand seit der Vernichtung der Bundeslade leer und wurde durch eine Thüre mit Vorhang von dem Heiligen geschieden. Dieses hatte einen Eingang mit zwei vergoldeten Thürflügeln, welche 55 Ellen hoch und 16 Ellen breit waren. Derselbe stand offen und war mit einem buntgewirkten babylonischen Teppich aus Byssus verhangen. An Geräthschaften befanden sich hier: der siebenarmige Leuchter, der Schaubrottisch und der Räucheraltar. Das Tempelgebäude war von vier über einander hinaufsteigenden Vorhöfen eingeschlossen. Sie hießen: der Vorhof der Priester, der israelit. Männer, der israelit. Frauen und der Heiden. Jeder Vorhof war durch eine Mauer oder durch Gitterwerk von dem andern getrennt. Das Ganze hatte einen Umfang von vier Stadien oder 1/10 einer deutschen Meile. Bei der Eroberung Jerusalems 73 n. Chr. wurde auch dieser prächtige Tempel zerstört, obwol Titus die Zerstörung zu verhindern suchte. Jetzt befindet sich an seiner Stelle eine weitläufige und prachtvolle Moschee, welche zu den drei heiligsten der mohammed. Welt gehört und zum Unterschied von den beiden andern zu Mekka und Medina die äußerste, d.i. nördlichste, heißt. Nach den Rabbinen soll der Tempel zu Jerusalem schon vor der Erschaffung der Welt sein Dasein gehabt haben. Über seinen Untergang findet keine gleichstimmige Ansicht statt; Einige lassen ihn von den Engeln Gabriel und Michael, Andere durch die Feinde angezündet worden, Andere durch die Teufel nur verborgen sein. Die, welche seine Zerstörung annehmen, glauben auch an seine Wiederherstellung, die auch noch jetzt von den orthodoxen Juden erwartet wird. Sie erfolgt nach dem Glauben, daß bald der Tempel vom Himmel kommen. bald durch Gott selbst, bald durch den Messias erbaut werden soll. Jedenfalls aber werde er, wenn er hergestellt sei, ewig bleiben. In dem ersten Tempel, behaupten sie endlich, befanden sich, außer den obengenannten Gegenständen, noch folgende: Feuer vom Himmel, das Urim und Thummim, die Gegenwart Gottes und der Geist der Weissagung.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 383-384.
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