Arbeitslohn

[109] Arbeitslohn nennt man den Preis, welchen Jemand für seine Arbeit erhält. Der Arbeiter erhält denselben von Dem, welchem seine Arbeit zu Gute kommt; dieser kauft ihm gleichsam die Arbeit ab und der Arbeitslohn ist der Kaufpreis derselben, der zunächst durch freie Übereinkunft des Käufers und des Verkäufers bestimmt wird. Der Käufer der Arbeit wird nicht mehr für dieselbe geben, als sie ihm werth ist, und der geringste Preis, um welchen der Verkäufer derselben sie lassen kann, wird sich so hoch belaufen müssen, daß er davon seinen und seiner Familie Unterhalt in der Weise bestreiten kann, in welcher nach den Gebräuchen und Sitten seines Landes ein Mensch seines Standes zu leben gewohnt ist. Wenn Jemand jeden Tag im Jahre arbeiten könnte und Arbeit fände, so würde sein nothwendiger Tagelohn 1/365 jener Summe sein müssen; wenn aber Arbeitstage ausfallen, sei es wegen Feiertage, Witterung u.s.w., so muß natürlich der Tagelohn für diejenigen Tage, an welchen wirklich gearbeitet wird, steigen, weil auch der Unterhalt derjenigen Tage, an welchen nicht gearbeitet wird, von demselben bestritten werden muß. Hohe Arbeitslöhne sind in der Regel ein Zeichen der Blüte und Wohlhabenheit eines Landes. Sie erhöhen die Wirksamkeit der Arbeiter, weil sie von ihren Anstrengungen mehr Erfolg erwarten können, befördern die Industrie, indem sie Veranlassung werden, auf Vervollkommnung zur Ersparung der Hände zu denken, verhüten das so schädliche Monopolisiren der Reichen und die Bedrückungen der Fabrikherren gegen die Arbeiter und wirken vortheilhaft für die Vermehrung der Bevölkerung und Kindererziehung. Den Preis, der für die Arbeit wirklich gegeben wird, nennt man den laufenden Arbeitslohn, der bald höher, bald geringer als der nothwendige ist; je nachdem mehr Arbeit verlangt als angeboten wird, oder der entgegengesetzte Fall eintritt. Immer aber wird es in einem gehörig bevölkerten Lande nur vorübergehend sein können, daß der laufende Arbeitslohn den nothwendigen bedeutend übersteigt oder unter demselben steht. Hat er sich eine Zeit lang auf einer allzugroßen Höhe gehalten, so werden sich des größern Vortheils wegen bald mehre finden, welche Arbeit anbieten, Arbeiter aus andern Ländern einwandern, durch größere Vervollkommnung beim Betrieb der Arbeit viel Hände erspart werden und in Folge dieses wird auch der Arbeitslohn wieder heruntergehen; ist er dagegen allzugering, so kann dies ebenfalls nicht lange dauern, denn wenn die arbeitenden Classen ihr Auskommen nicht mehr finden und Nahrungslosigkeit eintritt, so bemächtigt sich Unzufriedenheit und Auswanderungssucht der Bewohner und es könnte ein solcher Zustand, wenn er dauernd würde, nur mit dem gänzlichen Umsturze der bürgerlichen Gesellschaft endigen. Die Größe des nothwendigen Arbeitslohns ist nicht allein in den verschiedenen Ländern der Erde, sondern auch in den einzelnen Ständen der bürgerlichen Gesellschaft sehr verschieden. Die Arbeit des bloßen Tagelöhners, zu welcher weiter nichts erfoderlich ist, als der Aufwand körperlicher Kräfte, wird natürlich nicht so gut bezahlt als die Arbeit des Handwerkers, der sein Gewerbe förmlich erlernt haben, gewisse Kenntnisse besitzen und mit seiner Familie eine kostspieligere Lebensweise führen muß. Der Arbeitslohn des Staatsbeamten ist wiederum höher als der des Handwerkers, weil jener einer beiweitem kostspieligern Vorbereitung bedarf und theils seiner größern Bildung, theils seiner Stellung wegen in der Regel einen theurern Haushalt führen muß, als dieser. So fällt und steigt die Größe des Arbeitslohns mit der Art der Arbeit und dem Stande des Arbeiters, ohne daß der Staatsbeamte [109] mit seiner Besoldung mehr ausrichten kann als der Tagelöhner mit seinem Tagelohne.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 109-110.
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