[160] Avignon, die Hauptstadt des Departements Vaucluse im südöstl. Frankreich, liegt am linken Ufer der Rhone, in einer reizenden, an Getreide, Wein und Südfrüchten reichen Gegend.
Die Mauern mit Zinnen und vielen Thürmen. welche sie umschließen, hohe, alte Häuser, enge und krumme Gassen und eine Menge Kirchen mit kühn aufgeführten und glockenreichen Thürmen, sodaß die Stadt deshalb im Mittelalter den Beinamen der tönenden (läutenden) erhielt, geben ihr ein sehr alterthümliches Ansehn. A. hat über 31.000 [160] Einw., ansehnliche Seidenmanufacturen und andere Fabriken, sowie verschiedene wissenschaftliche Anstalten. In der ehemaligen Franziskanerkirche befindet sich das Grabmal Laura's, der gefeierten Geliebten Petrarca's, der durch seinen Aufenthalt das drei Stunden von A. entfernte wilde romantische Thal Vaucluse berühmt gemacht bat.
Schon zu der Römer Zeiten blühte die Stadt unter dem Namen Avenio, und man findet in der Umgegend noch fortwährend röm. Alterthümer. Im Mittelalter bildete sie mit ihrem Gebiete eine selbständige Grafschaft. Wie bedeutend die Stadt war, beweist die dreimonatliche Belagerung durch Ludwig VIII. von Frankreich im J. 1226 auf seinem Kreuzzuge gegen die Albigenser. Ihr Widerstand soll dem Könige über 20,000 M. gekostet haben; doch mußte sie endlich capituliren, dem Vertrage zuwider eine große Kriegssteuer zahlen und ihre Mauern niederreißen. Von 1308–77 residirten in A. nacheinander sieben Päpste, welchen Zeitraum die katholische Kirchengeschichte in Beziehung auf seine Dauer und wegen des Einflusses, welchen der franz. Hof während desselben auf den päpstlichen Hof ausübte, die babylonische Gefangenschaft der Päpste zu nennen pflegt. Schon 1273 hatte der päpstliche Stuhl die Grafschaft Venaissin von König Philipp dem Kühnen geschenkt erhalten; 1348 ward von ihm auch die Grafschaft A. erkauft. Die Päpste blieben im Besitz beider bis 1790, wo sich A. mit seinem Gebiete der franz. Republik anschloß und darauf 1797, im Frieden von Tolentino, nebst Venaissin vom Papste abgetreten wurde. Unter den Stürmen der franz. Revolution litt A. außerordentlich. Die Überreste der alten päpstlichen Burg, die jetzt zu einer Kaserne benutzt sind, und die Kirche unsrer lieben Frau von Dons, liegen auf dem Felsen neben der Stadt, deren zunächst am Ufer gelegenen Theil nebst Schloß die oben gegebene Abbildung darstellt.