Belagerung

[213] Belagerung heißt diejenige Art des Angriffs einer Festung, welche durch regelmäßiges Verfahren und zweckmäßige Anwendung aller Kräfte der Waffen, die Eroberung des Platzes am meisten sichert, allein oft vielen Zeitaufwand verursacht. Den Anfang zur Belagerung einer Festung macht die Berennung oder Blockade derselben, ihre Einschließung durch leichte Truppen, welche außerhalb der Schußweite der Festungskanonen, alle Verbindung mit der Umgegend abschneiden, zugleich die schwachen Seiten des Platzes auskundschaften und Lagerplätze für das nachfolgende Belagerungscorps aufsuchen. Ist letzteres mit dem erfoderlichen schweren Geschütz eingetroffen, und sind hinlängliche Vorräthe von Faschinen, Schanzkörben und anderm zur Belagerung nöthigen Material angelegt, so werden so heimlich als möglich, meist in der Nacht, die Tranchéen oder Laufgräben gegen die Festung eröffnet, d.h. es wird gewöhnlich 7–800 Schritt von ihr entfernt, von einer dichten Linie Arbeiter, welche durch aufgestellte Truppen vor einem möglichen Überfall aus der Festung gedeckt sind, ein 3–5 F. tiefer, 1012 F. breiter und sehr langer Graben gemacht, der den Werken der Festung gegenüber liegt, welchen der Angriff gilt und auch die erste Parallele heißt. Die ausgegrabene Erde bildet, nach der Festung hin aufgehäuft, einen gegen ihr Feuer schützenden Wall. Von der ersten Parallele werden Laufgräben im Zickzack bis etwa 300 Schritt von der Festung angelegt, hier eine zweite und weiter vorwärts eine dritte Parallele gegraben. Die anfangs in und bei der ersten Parallele erbauten Batterien werden gleichzeitig vorgerückt, bis zuletzt die Breschebatterien oder angelegte Minen (s.d.) einen Theil des Festungswalles zum Einstürzen bringen, was man Bresche legen nennt. Gewöhnlich wird der Graben dadurch zum Theil ausgefüllt, was außerdem durch die Belagerer geschieht, welche nun die Bresche zu erstürmen suchen, und die Eroberung derselben ist gemeiniglich auch die des Platzes, da die Vertheidigung selten so weit geht, hinter der Bresche neue Wehren zu errichten und zuletzt den Häuserkrieg im Innern der Stadt zu beginnen. In den meisten Fällen kommt nach gelegter Bresche eine Capitulation, d.h. ein Vertrag wegen Übergabe der Festung, zu Stande. – In einer belagerten Stadt ist der Militairbefehlshaber unumschränkter Herr, die Civilbehörden hören auf, ihre Functionen auszuüben und alle Einwohner sind dem Kriegsrecht unterworfen, was in Belagerungszustand versetzen heißt. Städte, in denen Empörung ausgebrochen, werden zuweilen in Belagerungszustand erklärt, ohne Festungen zu sein, um gegen die Empörer nach Kriegsrecht verfahren zu können.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 213.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: