[256] Grab (das heilige) wird ursprünglich die Gruft genannt, in welcher Jesus, nachdem er vom Kreuze abgenommen worden, beigesetzt wurde.
Bekanntlich war es Joseph von Arimathia, »ein ehrbarer Rathsherr, welcher auch auf das Reich Gottes wartete«, der es wagte, den Pilatus um den Leichnam des Gekreuzigten zu bitten. Nachdem er die Erlaubniß erhalten, nahm er den Leichnam vom Kreuze, wickelte ihn in eine Leinwand und legte ihn in sein eignes neues Grab, das er hatte in einen Felsen hauen lassen. Vor die Thüre des Grabes wälzte er einen großen Stein. Das Grab lag in einem Garten. Nachdem das Christenthum vom Kaiser Konstantin dem Großen zur Staatsreligion des großen röm. Weltreichs erhoben worden war, wurden die Orte, an denen Christus für das Heil der Menschheit gelitten hatte, alsbald Gegenstände religiöser Verehrung. Helena, die Mutter des genannten Kaisers, erbaute über diesen Orten im 4. Jahrh. eine Kirche, die hier abgebildete Kirche des h. Grabes, welche seitdem von Millionen Christen besucht worden ist und noch jetzt von unzähligen Andächtigen aufgesucht wird. (Vergl. Calvarienberg.) Bei der Eroberung Jerusalems durch die Sarazenen wurde diese Kirche zerstört, nachmals aber wiederhergestellt, als die Christen in den Kreuzzügen Jerusalem wiedererobert hatten. Zwar haben dann die Türken sich aufs Neue in Besitz der Stadt gesetzt und in derselben sich behauptet, aber die Heiligthümer der Christen sind geschont worden, theils weil die Mohammedaner selbst Jesum als einen Propheten anerkennen, theils weil sie von dem Zoll, welchen alle nach Jerusalem wallfahrtenden christlichen Pilger zahlen müssen, einen nicht unbedeutenden Gewinn ziehen. Im Jahre 1809 brannte die Kuppel der Rotunda, unter welcher das h. Grab sich befindet, ab, wurde aber bald wiederhergestellt, und als 1834 ein Theil der Kirche durch ein Erdbeben zerstört worden war, ertheilte der jetzige Beherrscher Jerusalems, Ibrahim Pascha, die Erlaubniß, denselben wiederherzustellen. Der Boden, auf welchem das große Gebäude steht, ist ungleich, weil man den h. Ort nicht hat verletzen wollen, und es umfaßt dasselbe nicht nur das Grab, sondern auch den Calvarienberg, der sich um etwa 18 F. über den Boden der Kirche erhebt. Das ganze Gebäude besteht eigentlich aus drei Kirchen, der eigentlichen Kirche des h. Grabes, der Calvarienkirche und der Kreuzerfindungskirche. Die griech. Christen haben das Schiff der Kirche inne, doch sind den röm.-katholischen und den koptischen und abyssinischen Christen eigne Kapellen eingeräumt worden. Die Einrichtung der Kirche des h. Grabes wird durch den nachstehenden Grundriß derselben deutlich werden. Am Eingange in die Kirche muß man an eine türk. Wache eine Abgabe bezahlen; die türk. Zolleinnehmer haben das mit 4 bezeichnete Gemach inne. In der Nähe des Eingangs bezeichnet eine Marmorplatte (bei 3) den Platz, wo der Leichnam des Heilands gesalbt und in die Leinwand gehüllt wurde. Hierauf kommt man links in die große unten abgebildete Rotunda, durch deren Kuppel das Licht einfällt. In der Mitte steht frei das h. Grab, das aus einem röthlichen, feinkörnigen Steine besteht. Das Innere der Gruft ist mit Marmor und mit himmelblauer Seide bekleidet. Man zeigt auch eine steinerne Tafel, auf welcher der Leichnam des Heilands gelegen haben soll. Über dem Grabe hängen 27 große silberne, immer brennende, Lampen, und ein Priester sprengt auf die nahenden Gläubigen aus einem silbernen Gefäße Weihwasser. Auf dem untenstehenden Grundriß bezeichnet 1 den Ort des h. Grabes, 2 eine kleine, den koptischen und abyssinischen Christen gehörige Kapelle; 6, 7 und 10 sind Kreuzgänge, 8 ist das Schiff der Kirche. Die der h. Helena geweihte Kirche bei 9 ist der Ort, wo dieselbe das Kreuz Christi in einer Cisterne, die man noch zeigt, gefunden haben soll. Nach dem Calvarienberge bei 5 führen 21 Stufen empor. Marmorsäulen stützen die Decke und trennen zwei Abtheilungen, von denen die [256] eine den Griechen, die andere den Katholiken gehört. Ein Loch in dem Felsen vor dem griech. Altar ist mit einem silbernen Rande eingefaßt und bezeichnet die Stelle, wo das Kreuz gestanden hat. Der griech. Altar wird von 50 immer brennenden Lampen beleuchtet. In der Nähe hat der Felsen einen tief hinabgehenden Spalt, der bei dem Erdbeben, welches nach Christi Kreuzigung erfolgte, entstanden sein soll. Bei 11 ist eine Kapelle der Katholiken. Überdies sind in der Kirche eine Menge einzelner Zellen angebracht, in denen sich Mönche aufzuhalten pflegen. Außer den erwähnten zeigt man an verschiedenen Stellen im Innern der Kirche noch mancherlei heilige Orte und Gegenstände, z.B. eine marmorne Säule, an welcher Christus gegeißelt worden; die Stelle, wo Christus der Magdalena erschienen; die sogenannte Säule der Schmach, auf die Jesus sich hat setzen müssen, als man ihm die Dornenkrone aufsetzte. – Da die Reise nach Palästina mit vielen Mühseligkeiten und Gefahren verknüpft ist, und besonders durch die türk. Herrschaft in Palästina ungemein erschwert wird, so kam schon im 15. Jahrh. ein reicher Bürger, nachmals Bürgermeister zu Görlitz in der Lausitz, Georg Emerich (1422–1507), auf den Gedanken, in einer Nachbildung der h. Orte, diese den Christen zu versinnlichen. Derselbe reiste zweimal, 1465 und 1476, nach Jerusalem, nahm alle Maße genau nach den dortigen Angaben und führte nun bei Görlitz, mit Erlaubniß des Bischofs von Meißen, seinen Plan aus. Eine kleine Kirche, zum h. Kreuz, und die Nachahmung des h. Grabes selbst sind die wichtigsten Gegenstände; die Entfernungen der h. Orte sind gehörig nach Schritten abgemessen und diese Orte selbst auf verschiedene Weise bezeichnet. Gegenwärtig erscheint die ganze Anlage als eine kleinliche und ärmliche Spielerei, aber man muß den frommen Sinn des Stifters anerkennen.