[274] Blutsfreundschaft nennt man dasjenige verwandtschaftliche Verhältniß zwischen verschiedenen Personen, welches durch die Erzeugung begründet wird. Dasselbe Blut muß in den Adern der wahren Verwandten oder, wie sie nach dem Lateinischen auch heißen, der Cognaten, fließen und dadurch unterscheidet sich die Blutsverwandschaft von der bloßen Schwägerschaft, welche nur ein durch Heirath begründetes verwandtschaftliches Verhältniß zwischen dem einen Theile und den Blutsverwandten des Andern ist.
Es gibt indeß auch Verhältnisse, in welchen Personen, die keine wahren Blutsverwandte sind, doch von dem Gesetz als solche betrachtet werden; dies geschieht bei der vollkommenen Adoption nach röm. und bei dem durch Taufe und Firmung erzeugten Verhältnisse nach kanonischem Rechte. Diese Verwandtschaft nennt man, im Gegensatze zu der wahren oder natürlichen, die bürgerliche oder fingirte Verwandtschaft. Bei der natürlichen Verwandtschaft, von welcher hier allein die Rede ist, stammt entweder die eine Person unmittelbar, wie der Sohn vom Vater, oder mittelbar, wie der Enkel vom Großvater, von der andern ab, oder mehre Personen, z.B. Brüder oder Enkel sind unter sich durch ihren gemeinschaftlichen Vater oder Großvater blutsverwandt. Der Grad von Blutsfreundschaft zwischen Personen, die in grader Linie (linea recta) miteinander verwandt sind, wie z.B. Urgroßvater – Großvater – Vater – Ich – Mein Sohn – Mein Enkel – Mein Urenkel –, die also gewissermaßen lauter Entwickelungen des im Stammvater befindlich gewesenen Keimes sind, ist größer wie bei Denjenigen, welche blos durch Abstammung von einem gemeinschaftlichen Dritten Blutsverwandte sind, Seiten- oder Collateralverwandte heißen und mit ihren Nachkommen Collateral- oder Seitenlinien bilden, die wieder in Nebenlinien zerfallen können. Jener Dritte ist ihr gemeinschaftlicher Stammvater, und bezeichnet man denselben z.B. mit A, so sind B, C, D und E Geschwister oder Seitenverwandte gleicher Seitenlinie, weil sie gleich weit von A; F und E aber Seitenverwandte ungleicher Seitenlinie, weil F weiter von A entfernt ist; F und G dagegen sind wieder in gleicher Linie verwandt. Da bei Bestimmung der Nähe der Verwandtschaft nach röm. Rechte jede Zeugung einen Grad ausmacht, so sind folglich zwei Personen in dem so vielsten Grade verwandt, als Zeugungen erfoderlich sind, um ein verwandtschaftliches Verhältniß zwischen ihnen zu begründen. F ist daher mit D im ersten, mit A im zweiten, mit E im dritten Grade verwandt. Das kanonische Recht befolgt bei der Berechnung der Grade in grader Linie denselben Grundsatz, allein bei der Seitenverwandtschaft geht es immer auf den gemeinschaftlichen Stammvater zurück und stellt die Regel auf, in demselben Grade, in welchem eine Person mit dem gemeinschaftlichen Stammvater verwandt ist; in demselben ist sie auch mit einer bestimmten Person der andern Seitenlinie verwandt. Sind die Linien ungleich, so wird hier immer nach der längsten gerechnet. B ist z.B. mit C nach der Berechnungsart des kanonischen Rechts im ersten Grade gleicher Seitenlinie und E mit C im dritten Grade ungleicher Seitenlinie verwandt.