Vater

[558] Vater in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes, heißt der Erzeuger eines Kindes, die rechtlichen Verhältnisse des Vaters zu seinem Kinde sind aber verschieden, je nachdem dasselbe ein eheliches oder ein außereheliches ist. Bei dem letztern beschränken sie sich auf die Alimentationspflicht, bei den erstern erwachsen aber aus diesem Verhältnisse für den Vater sowol Rechte als auch Verbindlichkeiten mannichfacher [558] Art. Als eheliches Kind ist dasjenige zu betrachten, welches von einem Ehemanne mit seiner Ehefrau in rechter Ehe erzeugt worden ist. Dies wird vermuthet, wenn es nicht vor dem 182. Tage nach Eingehung der Ehe und nicht später als im zehnten Monate nach Auflösung derselben geboren wird. In beiden Fällen wird der Ehemann so lange für den Vater des Kindes gehalten, bis er den Beweis der absoluten Unmöglichkeit führt. In allen übrigen Fällen hingegen muß die Ehefrau, wofern der Ehemann nicht etwa das Kind freiwillig für das seinige erkennt, zuvor den Beweis der Vaterschaft führen. Um das Unterschieben der Kinder zu verhüten, ist der Frau, welche sich bei der Scheidung schwanger fühlt, zur Pflicht gemacht, dem Manne solches binnen 30 Tagen anzuzeigen, welche Verbindlichkeit sie auch gegen die Erben hat, wenn die Ehe durch den Tod des Mannes aufgelöst wurde. Die ehelichen Kinder sind berechtigt, von ihrem Vater sowol, als von ihrer Mutter Ernährung und standesmäßige Erziehung zu fodern, wenn sie kein eignes Vermögen haben, aus welchem sie sich selbst erhalten können. Im Nothfalle sind auch die Großältern zur Alimentation verpflichtet. Diese Pflicht ist jedoch wechselseitig, d.h. auch die Kinder sind ihre dürftigen Ältern zu ernähren schuldig, und ebenso haben eheliche Kinder und Altern ein wechselseitiges Erbrecht. Ferner sind die Kinder den Ältern Gehorsam und Ehrerbietung schuldig, woraus folgt, daß sie keine schimpfliche Klagen gegen dieselben anstellen, zu keinem Zeugnisse gegen dieselben gezwungen werden und ihre Foderungen gegen die Ältern immer nur in so weit einklagen können, daß diese noch so viel behalten als zur Lebensnothdurft erfodert wird. In so weit dies zur Erziehung erfoderlich ist, steht den Ältern auch das Recht zu, die Kinder zu züchtigen oder sie zur Bestrafung der Obrigkeit zu übergeben. Mit dem röm. Rechte ist aber auch der Begriff der väterlichen Gewalt, als einer Summe vorzüglicher Rechte über die Kinder, welche allein dem Vater zustehen, bei uns eingebürgert. Sie wird nicht blos auf natürlichem Wege durch die Erzeugung der Kinder in rechter Ehe (so lange der Erzeuger sich selbst noch in der väterlichen Gewalt befindet, fallen auch seine Kinder unter die Gewalt seines Vaters, also ihres Großvaters), sondern auch auf bürgerlichem Wege durch Adoption (s.d.) und durch Legitimation (Erhebung der unehelichen Kinder zu ehelichen) erworben. Es steht dem Vater das Recht zu, Dienste von seinen Kindern zu fodern, ihnen im Testamente einen Vormund zu ernennen und für den Fall, daß sie vor erlangter Mündigkeit sterben sollten, einen Erben zu bestellen; ferner das Recht, in ihre Ehe einzuwilligen und sie von Jedem, der sie ihm vorenthält, zurückzufodern. In Bezug auf das Vermögen (Sondergut, peculium) der noch unter der väterlichen Gewalt stehenden Kinder gelten folgende Grundsätze: Alles, was der Sohn im Soldatenstande oder durch freie Künste und Wissenschaften erwirbt (das sogenannte peculium militare), wozu auch Alles gerechnet wird, was Vater, Mutter oder Verwandte dem in Militairdienste tretenden Sohne zum Zwecke dieser Dienste schenken, was der Sohn als Soldat erbeutet oder vom Solde sich erspart, was er von Cameraden erbt oder mit dem als Soldat verdienten Gelde erkauft; ferner, was ihm von irgend Jemand zur Erlernung von Künsten und Wissenschaften geschenkt oder durch letzten Willen hinterlassen wird, oder was er durch dergleichen Kenntnisse und in den dadurch erlangten Ämtern selbst erwirbt, ist ausschließlich sein Eigenthum, und es stehen daran dem Vater keinerlei Rechte zu. An dem Vermögen aber, was Söhne auf andere Art und Töchter überhaupt erwerben, hat der Vater mehr oder weniger umfassende Rechte. Rührt dieses Vermögen vom Vater selbst her, oder ist es den Kindern mit Rücksicht auf denselben gegeben, so hat er daran in der Regel das Recht des Nießbrauchs und selbst der Veräußerung, nur die Verwaltung steht den Kindern zu. Er kann sogar bei Beendigung der väterlichen Gewalt den Besitz wieder zurückfodern, unterläßt er dies aber, so wird dasselbe nach Aufhören der väterlichen Gewalt unbeschränktes Eigenthum der Kinder. Anders verhält es sich mit dem nicht vom Vater herrührenden Vermögen, wozu alle Geschenke, Erbschaften und Vermächtnisse von der Mutter, von mütterlichen Verwandten oder von dritten Personen, Lotteriegewinne und was durch Geschäfte irgend einer Art, nur freie Künste und Wissenschaften ausgenommen, von Kindern unter väterlicher Gewalt verdient oder erworben wird, gehört. An diesem Vermögen hat entweder der Vater die Verwaltung und den Nießbrauch, ohne jedoch das Recht der Veräußerung zu besitzen, oder dem Vater steht blos die Verwaltung, nicht aber auch der Nießbrauch zu. Die letztere Art der Peculien ist vorhanden, wenn Kindern unter väterlicher Gewalt mit der ausdrücklichen Bedingung, daß der Vater den Nießbrauch nicht haben soll, etwas von dritten Personen geschenkt oder vermacht wird, wenn der Vater auf das Nießbrauchsrecht verzichtet hat, oder wenn die Kinder wider Willen des Vaters etwas erwerben, z.B. als Volljährige eine Erbschaft antreten, die der Vater nicht für sie antreten will. Wenn die väterliche Gewalt nicht durch den Tod des Vaters oder des Kindes aufgelöst wird, so dauert sie mit ihren Wirkungen so lange, bis ein besonderer Grund eintritt, weshalb sie schon bei Lebzeiten Beider aufhört. Ein solcher Grund liegt entweder in gesetzlicher Vorschrift oder in dem Willen des Vaters. Von Rechtswegen erlischt die väterliche Gewalt, wenn der Sohn zu einer hohen Staatswürde gelangt, was indeß heutiges Tags nur noch bei der Bischofswürde angenommen wird, wenn der Vater sich gewisser unerlaubter Handlungen schuldig macht, wenn er sein Kind aussetzt oder eine blutschänderische Ehe eingeht. Mit dem Willen des Vaters hört die väterliche Gewalt auf, wenn er sich selbst arrogiren (d.i. von einem Andern an Kindesstatt annehmen) läßt, in welchem Falle die ihm bisher über seine Kinder zustehende Gewalt, auf den Arrogirenden übergeht, wenn er sein Kind von Jemandem adoptiren läßt, und endlich, wenn er dasselbe emancipirt, d.i. unter öffentlicher Autorität sein Kind aus der väterlichen Gewalt entläßt. Es ist dazu die Zustimmung des Vaters sowol als des Kindes erfoderlich, und nur in wenigen Fällen, z.B. wegen übertriebener Härte, kann der Vater zur Emancipation gezwungen werden. Die Volljährigkeit allein hebt auch bei uns die väterliche Gewalt nicht auf.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 558-559.
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