[573] Dismembration nennt man das Zertheilen oder Zerstückeln größerer Grundstücke in mehre kleinere und es ist nur als eine Foderung der Fortschritte in der Staats- und Landwirthschaft anzusehen, daß in Bezug auf Grund und Boden möglichst freier Verkehr stattfinde und dem freien Willen der Eigenthümer überlassen bleibe, ob sie ihre Grundstücke zertheilen wollen oder nicht. Diese Foderung fließt aus dem unserm jetzigen Standpunkte der Civilisation am meisten entsprechenden Systeme der Erwerbsfreiheit, das auf der Voraussetzung beruht, der allgemeine Vortheil werde in Sachen der Güterwelt dann am sichersten erzielt werden, wenn jeder Einzelne seinen individuellen Zwecken möglichst ungehindert nachgehen könne. Diesen Grundsätzen steht die Geschlossenheit der Güter entgegen, welche nicht gestattet, eine größere Grundbesitzung in mehre kleinere zu verwandeln und die noch in vielen Staaten besteht, weil man durch die Aufhebung derselben die Zertheilung der Grundstücke in kleine Parcelen übertreiben und daraus Übervölkerung und allgemeine Verarmung der Landbewohner hervorgehen zu sehen besorgt, während der Vergrößerung der Güter nirgend Hindernisse im Wege stehen. Eine vernunft- und zeitgemäße Agriculturpolitik verlangt aber weder eine Beschränkung des Vergrößerungsrechts, noch befiehlt sie eine Zerschlagung, gestattet aber letztere und führt so die Freiheit des Verkehrs auch in der Güterwelt wieder ein. Zu den Vorzügen kleinerer Güter gehört die größere Sorgfalt und Sparsamkeit, welche ihre Besitzer bei der Bewirthschaftung anzuwenden pflegen, da hier z.B. das auf großen Gütern nöthige Aufsichtspersonal ganz wegfällt, der Aufwand an Gebäuden gering ist, an Gesindelohn erspart wird u.s.w., was zusammen den Reinertrag der Güter erhöhen muß. Aber auch ein höherer Rohertrag läßt sich von kleinern Gütern erwarten, da die Mehrzahl der kleinern Grundbesitzer eine bessere Gelegenheit hat, wahrhaft nützliche Erfahrungen und ihre durch die Örtlichkeit bedingte Anwendbarkeit zu erkennen, weil sie mit ihren Gütern vertrauter sind, überall selbst handeln, mehr Veranlassung zur Benutzung aller Vortheile haben, als die Mehrzahl der großen Grundherren, und das große Capital allmäliger Ersparnisse auf ihr Gut wenden, während jene bedeutende Summen in Dingen anzulegen pflegen, welche keinen Ertrag liefern.
In staatswirthschaftlicher Beziehung erlaubt die gestattete Zertheilung des größern Grundbesitzes die Ernährung und nützliche Beschäftigung einer größern Bevölkerung auf demselben Flächenraume. Sie würde ferner die unheilvolle Überschuldung der Güter, die ohnehin vielen dritten Personen ein gewisses Eigenthum daran verschafft, am besten beseitigen, der Preis der Güter würde durch Vermehrung der Nachfrage gesteigert werden u.s.w. Größere Bedrängnisse lasten ferner auf kleinern Landwirthen weniger schmerzlich, weil sie den wechselnden Zeitumständen sich leicht anschmiegen [573] können und eher geneigt und fähig sind, einen Ausfall durch doppelten Fleiß und doppelte Sparsamkeit zu decken. Der kleine Landwirth hilft durch Sparsamkeit im Verzehren die Gefahr einer Theurung abwenden und mindert sie durch willigen Verkauf seiner Vorräthe, während der große Grundbesitzer sie nur zu oft zum Gegenstande der Gewinnsucht macht. Die gefürchtete Übertreibung der Zertheilung in kleine Parcelen ist nicht wahrscheinlich, da das Bedürfniß auch seine Grenzen hat und bis auf einen gewissen Grad zur Vereinigung drängt, daher bei Freiheit des Verkehrs die Güter von mittlerem Umfange die Regel bilden werden, während zugleich die Benutzung kleiner Feldstücke auch für Gewerbtreibende eine Nebenbeschäftigung und ein Stützpunkt sein würde. Um indeß ganz sicher zu gehen, kann immerhin die Gesetzgebung der Zertheilung eine angemessene Grenze setzen, über welche die Bauergüter nicht vermindert werden dürfen, wie dies auch in vielen Staaten, welche das Dismembriren der Grundstücke mit obrigkeitlicher Genehmigung gestatten, wie z.B. in Preußen, Östreich, Sachsen u.s.w., geschehen ist.