Domainen

[581] Domainen, auch Staats-, Kron- oder Kammergüter, nennt man denjenigen Theil des Staatsgrundvermögens, welcher dem Oberhaupte des Staats als solchem zusteht, um aus den Einkünften desselben den Aufwand des Staats oder auch des Hofes zu bestreiten. Sie unterscheiden sich demnach wesentlich von dem Privatvermögen des Regenten, den Chatoullgütern (s. Chatoulle), während die Domainen nur auf den jedesmaligen Regierungsnachfolger übergehen. Wenngleich die Eigenschaft der Domainen als Staatsgut von der Theorie nicht mehr bezweifelt wird, so ist sie doch nach dem positiven Staatsrechte der einzelnen Staaten nicht überall anerkannt, vielmehr werden sie in manchen Ländern theils als Familiengut, theils als freies Eigenthum des Fürsten betrachtet. In Preußen sind sie Staatsgut, doch ist ein Theil davon unter dem Namen Kronfideicommiß abgesondert, welcher vorzugsweise zum Unterhalt des Königs und seiner Familie bestimmt ist. In Baiern sind sie ebenfalls Staatsgut und selbst neue Erwerbungen der kön. Familie erhalten diese Eigenschaft, wenn nicht bei Lebzeiten des Erwerbers darüber anderweit verfügt worden ist. In Sachsen besteht das Staatsgut, als eine einzige untheilbare Gesammtmasse, aus Allem, was die Krone an Ländereien, Ämtern, Kammergütern, Domainen, den dazu gehörigen Fluren, Gebäuden und Inventarien, Grundstücken, Forsten und Mühlen, Berg- und Hüttenwerken, Kuxen, Regalien, Amtscapitalien, Einkünften, nutzbaren Rechten, öffentlichen Anstalten, Beständen, Außenständen und Vorräthen jeder Art und sonst besitzt und erwirbt, und es geht dasselbe in seinem ganzen Umfange auf den jedesmaligen Thronfolger über. Das Fideicommiß des kön. Hauses besteht aus den kön. Schlössern, dem Mobiliarvermögen des Königs, den Kunstschätzen u.s.w. Demselben wächst alles Dasjenige zu, was der König während seiner Regierung aus irgend einem Privatrechtstitel oder durch Ersparniß an der Civilliste erworben, wenn er darüber bei Lebzeiten nicht verfügt hat. Es besitzt indeß ebenfalls die wesentlichste Eigenschaft des Staatsguts, da es vom Lande unzertrennlich sein und nur auf den jedesmaligen Nachfolger in der Regierung übergehen soll. Das Privatgut des Königs besteht blos in Demjenigen, was derselbe vor Gelangung zum Throne bereits besessen und mit diesem Privatvermögen erworben hat. Hierüber kann er frei verfügen, jedoch wächst auch dieses Gut dem Hausfideicommiß oder dem Staatsgute zu, wenn der König bei seinem Ableben keine andere Bestimmung darüber trifft. In Würtemberg wird zwischen dem Kammergute und Hofdomainen. Kammergute unterschieden, und ersteres als unveräußerliches Staatsgut, letzteres dagegen, dessen reiner Ertrag gegen 200,000 Guld. ist, als Privateigenthum der Regentenfamilie angesehen. In Baden sind die Domainen zwar für Patrimonialeigenthum des Regenten und seiner Familie erklärt, jedoch ihr Ertrag zur Bestreitung der Staatslasten bestimmt, weshalb auch ohne Einwilligung der Stände nichts davon veräußert werden darf. In Kurhessen erklärt die neue Verfassungsurkunde alle Domanialgüter und Gefälle für Staatsgut. Die Verfassungsurkunde des Großherzogthums Hessen von 1820 setzt fest, daß 1/3 der damals vorhandenen Domainen zur Tilgung der Staatsschulden vermittels allmäligen Verkaufs verwendet, 2/3 aber als unveräußerliches Familienfideicommiß betrachtet werden solle, jedoch so, daß der Ertrag davon in die Staatskassen fließt und nur eine bestimmte Summe an den Souverain entrichtet wird. In Nassau sind die Domainen noch Familiengut, doch dient ihr Ertrag dem Landesherrn und seiner Familie als Civilliste.

Die Benutzungsart der Domainen kann ebenfalls sehr verschieden sein. Am nächsten liegt die Selbstbewirthschaftung derselben, welche deshalb auch in frühern Zeiten vorherrschend war; allein sie ist bei dem Wegfall des lebendigen eignen Interesses der Verwalter, bei dem ungünstig einwirkenden Einflusse des Staatsmechanismus und bei den anerkannten Schwierigkeiten, welche für den Staat die Führung einer zu gleich wirksamen und unschädlichen Controle in derartigen Verhältnissen hat, weder den Gütern noch den Staatskassen vortheilhaft. Man hat diesen Mängeln zuweilen durch eine ziemlich künstliche Einrichtung zu begegnen und namentlich den Vortheil der Verwalter mit dem des Staats zu vereinigen gesucht, indem man die sogenannte Gewährsadministration zur Anwendung brachte, welche dem Verwalter des Guts die Pflicht auferlegt, einen gewissen Ertrag desselben zu liefern, an dem Überflusse desselben aber ihm einen bestimmten Antheil zusichert. Doch abgesehen von den Mängeln, welche auch diese Verwaltungsart mit sich führt, werden sich sehr Wenige finden, welche geneigt sind, ein Geschäft zu übernehmen, bei dem sie im günstigen Falle wenig gewinnen, im ungünstigen aber viel verlieren können. Beiweitem gewöhnlicher ist die Verpachtung der Domainen auf je eine gewisse Reihe von Jahren, wodurch dem Staate allerdings eine bestimmte reine und möglichst hohe Einnahme gesichert wird. Oft erstreckt man auch die Dauer des Pachttermins auf die Lebenszeit des Pachters, wodurch dem letztern mehr Muth gemacht werden soll, Verbesserungen mit dem Gute vorzunehmen. Allein die Verpachtung, welche schon, wenn sie von Privaten ausgeht, sehr häufig zur Aussaugung und Verschlechterung der Grundgüter führt, ist für den Staat noch weniger vortheilhaft, welcher nicht blos die Höhe des reinen Ertrags, sondern auch die Nationalwohlfahrt zu berücksichtigen hat und durch kostspielige Bäuten, Pachterlasse u.s.w. zu Ausgaben veranlaßt wird, zu denen sich der Privatmann nie verstehen würde. Endlich hat man auch die Vererbpachtung der Domainen in Vorschlag gebracht, bei welcher die Nachtheile der andern Verpachtungsarten zum größten Theil beseitigt werden können. Am allerbesten dürfte es aber, nach der Meinung der aufgeklärtesten Staatswirthschaftslehrer der neuern Zeit, sein, wenn die Domainen allmälig veräußert und das dafür erlangte Capital zur Abtragung von Staatsschulden verwendet würde. In Privathänden werden die Domainen weit mehr eintragen und die Quellen des Nationalwohlstandes, aus deren überfließenden Schätzen der Staat allein seine Bedürfnisse zu decken hat, werden durch ihre Gelangung in den Privatbesitz erweitert und ergiebiger gemacht. Ihre Zerschlagung [581] in kleinere Parcellen wird auf Erhöhung ihres Ertrags, auf Vermehrung des Volkswohlstandes, der Bevölkerung und der Erwerbsquellen einen höchst wohlthätigen Einfluß haben. – Es gibt indeß auch Beispiele von unglücklichen Veräußerungen der Domainen, wenigstens sind die Käufer der von dem Könige von Westfalen, Jerome Napoleon, veräußerten Staatsgüter zum Theil sehr übel angekommen. Nur Preußen, welches das Königreich Westfalen anerkannt hatte, bestätigte diese Verkäufe; wogegen Hanover, Braunschweig und Kurhessen die Käufer ihres in gutem Glauben erworbenen Eigenthums ohne alle Entschädigung wieder entsetzte. Die hess. Domainenkäufer, welche am zahlreichsten waren, versuchten den Weg der Güte und den Weg des Rechts dagegen vergeblich, obgleich selbst der Bundestag die Domainenkäufer wiederholt einer »milden landesväterlichen Behandlung« des Kurfürsten empfahl.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 581-582.
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