[699] Westfalen hieß im Mittelalter das Land zwischen Weser, Rhein und Ems, Ostfalen das Gebiet zwischen Weser und Elbe; jenes war der westl., dies der östl. Theil des alten Sachsen und hieß auch Sauerland, welcher Name sich noch im Volke erhalten hat und einem Theile der vormaligen Grafschaft Mark insbesondere beigelegt wird. Hier befand sich die Residenz Wittekind's und anderer Sachsenherzoge bis herab auf Heinrich den Löwen, als dieser aber 1179 in die Acht erklärt wurde, wußte das Erzstift Köln dieses Land vom Reiche unter dem Namen W. in Lehn zu bekommen. Es blieb nun bis zur Auflösung des Erzstifts im J. 1802 bei Köln, kam dann als Entschädigung an Hessen-Darmstadt, von welchem es 1815 an Preußen abgetreten und nun zur Provinz Westfalen (s.d.) gezogen wurde. – Der ehemalige westfäl. Kreis des deutschen Reichs, auch niederrhein.-westfäl. Kreis wegen seiner am Rheine gelegenen Gebiete, umschloß das Land zwischen Weser, Rhein und Ems und ansehnliche Bezirke jenseit des Rheins, doch ohne das eigentliche Westfalen, welches zum kurrheinischen Kreise gehörte. Er grenzte an die Nordsee, den kurrhein., oberrhein. und burgund. Kreis und war einer der größern des Reichs. Unter seinen Mitgliedern befanden sich die Bischöfe von Münster, Paderborn, Osnabrück, Lüttich und der Abt von Korvei, die Herzoge von Jülich, Kleve, Berg und Oldenburg, die Fürsten von Minden, Verden und Ostfriesland, die Grafen von Ravensberg, Mark, Hoya, Diepholz, Schaumburg-Lippe, Bentheim, Tecklenburg, Lingen, Rietberg, Steinfurt und noch viele kleinere geistliche und weltliche Herren. – Ein Königreich Westfalen wurde während der Herrschaft Napoleon's in Deutschland nach dem Frieden von Tilsit aus dem seiner Willkür verfallenen Ländern des Kurfürsten von Hessen und Herzogs von Braunschweig, der preuß. Provinzen westl. der Elbe und hanoverschen, nassauischen und andern kleinen, auch einigen sächs. Gebieten, am 18. Aug. 1807 errichtet und dem jüngsten Bruder des franz. Kaisers, Hieronymus Bonaparte (s.d.), verliehen. Dasselbe begriff 688 ! M. mit beinahe 2 Mill. Einw., erhielt unterm 15. Nov. eine von Napoleon ausgegangene constitutionnelle Verfassung, in welcher sich derselbe die Hälfte der Domainen für seine Generale vorbehielt, und am 10. Dec. hielt der König seinen prächtigen Einzug in die Haupt- und Residenzstadt Kassel. Die Regierung war ganz nach franz. Formen geordnet, das Land schon von den Franzosen sehr ausgesogen, gleichwol zu unverhältnißmäßigen Opfern genöthigt, wohin auch die Unterhaltung und Besoldung einer franz. Besatzung von 12,500 M. in Magdeburg und die Abzahlung bedeutender Rückstände franz. Kriegssteuern gehörte. Die Finanzen waren daher von Anfang in erschöpfter Lage, und der im J. 1808 zum ersten [699] Male versammelte westfäl. Reichstag fand schon eine Schuldenmasse von 112 Mill. Francs. Indessen war nicht zu verkennen, daß einsichtige Männer an der Spitze der Verwaltung standen, und wenn auch wegen Unkunde mit den örtlichen Verhältnissen arge Misgriffe vorkamen, wurde doch auf der andern Seite sehr viel Zweckmäßiges ins Leben gerufen. Es erfolgte die Aufhebung der Leibeigenschaft und aller darauf gegründeten ungemessenen Dienste, alle übrigen Frohnen aber wurden für ablösbar erklärt; die Abgaben wurden gleichmäßiger vertheilt, Befreiungen davon aufgehoben und der größern Volksmasse Vortheile und Rechte gesichert und zugewendet, welche ihr bald werth wurden und sie mit der Fremdherrschaft theilweise versöhnten, gegen die jedoch auch wiederholte Aufstände in einzelnen Gegenden stattfanden. Diese hatten drückende Maßregeln und die Errichtung einer hohen Policei zur Folge, welche das Mistrauen gegen die Regierung nährte. Dazu kamen gezwungene Anlehen, die unverhältnißmäßige, von Napoleon gefoderte Vergrößerung des Heers auf 30,000 M., und der 1810 zum zweiten Male berufene Reichstag war nicht im Stande, die Mittel zur Deckung der erfoderlichen Ausgaben aufzubringen. Die Vereinigung des von den Franzosen durch beinahe sieben Jahre ausgesogenen Hanover mit W. eröffnete auch keine unmittelbar fließende Hülfsquellen und 1811 mußten sogar große Gebiete an das bis zur Elbe sich ausdehnende Frankreich wieder abgetreten werden. Erst jetzt fing das Continentalsystem an, sich in seiner ganzen Härte fühlbar zu machen, und als 1812 das ganze westfäl. Heer dem Kaiser nach Rußland folgen mußte, verschwand vollends die Aussicht auf Abhülfe des Nothstandes. Auch der König war mit ins Feld gezogen, wurde aber von Napoleon bald zurückgeschickt und die westfäl. Truppen (24,000 M.) theilten allein das unglückliche Geschick der großen Armee. Nur wenig zahlreiche Überreste kehrten zurück und schleunigst mußten neue 12,000 M. gerüstet werden, welche 1813 Napoleon nach Sachsen folgten; allein die Ereignisse führten nun das plötzliche Ende des Königreichs herbei, welches schon am 1. Oct. von dem nach Kassel vorgedrungenen russ. Parteigänger Tschernitscheff für aufgelöst erklärt wurde. Zwar kehrte König Hieronymus noch auf einige Tage in seine Residenz zurück, allein blos, um in Folge der leipziger Schlacht auf immer zu scheiden, wobei er von Kostbarkeiten und Kunstschätzen mit fortschleppen ließ, was er vermochte. Ohne daß irgend eine diplomatische Verhandlung stattfand, löste sich das Königreich nach der Flucht des Königs und bei Ankunft der Verbündeten in wenigen Tagen durch Herstellung der frühern Regierungen seiner Landestheile auf.