Ferrara

[28] Ferrara war ehemals ein selbständiges Herzogthum, ist aber jetzt eine Provinz (Delegation) des Kirchenstaats von 50 ! M. und mit mehr als 180,000 Einw. Die Herzöge aus dem berühmten, um Kunst und Wissenschaft hochverdienten Hause Este hatten F. vom Papste zum Lehn, bis nach dem Aussterben der Hauptlinie Papst Clemens VIII. 1598 das Herzogthum mit dem Kirchenstaate vereinigte. Die Hauptstadt F. liegt in einer sumpfigen Gegend an einem Arme des Po und ist befestigt. Die starke Citadelle ist von östr. Truppen besetzt. Die Stadt, eine der schönsten Italiens, hat vier Thore, breite, regelmäßige Straßen, unter denen sich der 3000 F. lange Corso auszeichnet. Viele prächtige Gebäude zieren die Stadt, unter denen besonders ein Palast zu bemerken ist, welcher das diamantne Haus genannt wird, weil an ihm alle vorragende Bausteine façettenartig behauen sind. In 5000 Häusern wohnen nur 25,000 Menschen, sodaß also nur fünf Menschen auf ein Haus kommen; die Stadt bietet daher einen leblosen Anblick dar. Der päpstliche Legat bewohnt den ehemaligen herzoglichen Palast, welcher ein mitten in der Stadt gelegenes altes röm. Castell mit vier Thürmen ist. Es wird von Wassergräben umringt, ist im Innern sehr zerfallen, aber mit Gemälden von den berühmtesten Malern (Tizian, Dossi u. A.) geschmückt. F. ist gegenwärtig auch der Sitz des Großmeisters des Johanniterordens. Die Universität hat nur eine juristische und eine medicinische Facultät und etwa hundert Studirende. Zu dieser Universität gehört aber eine an merkwürdigen Handschriften (unter Andern von Tasso und Ariost) und alten Drucken reiche Bibliothek, ein Museum der Alterthümer, ein physikalisches Cabinet und ein botanischer Garten. Die vielen (über hundert) Kirchen sind mit den herrlichsten Gemälden und Bildwerken geziert. Im St.-Annenhospital zeigt man einen finstern und feuchten Kerker, in welchem einer der größten Dichter Italiens, Torquato Tasso (s.d.), sieben Jahre lang, angeblich wegen Wahnsinns, gefangen gehalten wurde. Auch das Haus des Dichters Ariosto (s.d.) wird gezeigt und ein Platz trägt zum Andenken an ihn den Namen Piazza Ariostea.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 28.
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