Germain

[197] Germain (Graf Saint-), einer der gewandtesten Betrüger, die es jemals gegeben hat. Er war ein Mann von dem feinsten Benehmen, von der größten Gewandtheit, voll der mannichfaltigsten Kenntnisse und hatte ein sehr empfehlendes Äußere. Dabei erzählte er aber von sich selbst die wunderbarsten Dinge, die so abgeschmackt waren, daß man ihm wahrscheinlich nirgend Glauben geschenkt hätte, wenn G. nicht auf eine höchst gewandte Weise sich durch Benutzung der schwachen Seiten derjenigen Personen, mit denen er es eben zu thun hatte, Vertrauen zu verschaffen gewußt hätte. Nicht nur rühmte er sich in Besitz großer alchymistischer Kenntnisse zu sein, Edelsteine machen und die Zukunft vorhersagen zu können, sondern er erzählte auch, daß er selbst 350 Jahre alt sei, sich wiederholt in Indien aufgehalten, dort geheime Weisheit geholt habe, und einen Lebensthee besitze, welcher die Jugend wiedergebe. Zu den Talenten, die G. wirklich besaß, gehörte ein meisterhaftes Violinspiel. Auch schrieb er etwas Dictirtes zugleich mit beiden Händen auf zwei Bogen Papier, und die gleichlautenden Schriften waren auch in der Handschrift nicht zu unterscheiden. Er führte ein herumziehendes Leben, indem er sich an den verschiedensten Orten unter verschiedenen Namen (Aymar, Marquis de Betmar, Graf Tzarozy, Chevalier Schöning, Graf Soltikoff u.s.w.) aufhielt und sich meistens in den höchsten Cirkeln, ja selbst an mehren Höfen Zutritt zu verschaffen wußte. Man hat nie erfahren können, wann und wo er eigentlich geboren worden sei. Wahrscheinlich war er ein Portugiese. Er trat zuerst 1770 zu Paris in den vornehmsten Gesellschaften auf, hielt sich die letzte Zeit seines Lebens beim Landgrafen Karl von Hessen auf, und starb 1795 wol über 80 Jahre alt.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 197.
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