Höhlen

[405] Höhlen sind hohle Räume im Innern der Berge oder in der Tiefe der Erde, welche ihren Ursprung theils vulkanischen Ereignissen, wie Erdbränden, Ausbrüchen von Vulkanen, theils Ausspülungen durch das Wasser zu verdanken haben mögen. Einige enthalten sehr merkwürdige Gebilde, während andere durch besondere Eigenthümlichkeiten sich auszeichnen. In einigen finden sich höchst auffallende Tropfsteingebilde (Tropfsteinhöhlen), in andern in großer Menge Knochen (Knochenhöhlen), in andern merkwürdige Eisbildungen (Eishöhlen), noch andere enthalten Dampf (Dampfhöhlen) oder Wasser (Wasserhöhlen), und aus einigen bläst ein eigenthümlicher Wind (Windhöhlen), der zuweilen merkwürdige Temperaturabwechselungen zeigt (Temperaturhöhlen). Der Tropfstein, welcher in sehr vielen Höhlen vorkommt, z.B. auch in der Baumannshöhle und Bielshöhle (s. Baumannshöhle), wird durch das Wasser gebildet, welches durch die Decken sickert und Kalkerde aufgelöst enthält. Beim Verdunsten des Wassers bildet sich ein fester Niederschlag, welcher zwar nur sehr unbedeutend ist, aber im Verlaufe der Jahrhunderte Zapfen, Säulen und allerlei wunderlich geformte Gebilde hervorzubringen vermag. Das Wasser ist zuweilen durch in ihm aufgelöste Stoffe gefärbt, und diese Färbung theilt sich dann auch den Tropfsteinen mit, und wenn die Färbestoffe sich von Zeit zu Zeit verändern, so entstehen marmorirte Tropfsteine. Die Thierknochen, welche man in manchen Höhlen findet und welche zum Theil Thieren angehören, die es jetzt gar nicht mehr oder doch wenigstens nicht in den Gegenden gibt, in welchen die Höhlen liegen, sind entweder dadurch in dieselben gekommen, daß die Höhlen früher zum Aufenthalt reißender Thiere gedient haben, welche ihre Beute in ihnen verzehrten, oder daß sich diese Thiere heerdenweise bei großen Überschwemmungen in jene Höhlen geflüchtet haben und in ihnen umgekommen sind. Durch die vielen in ihnen enthaltenen Überreste urweltlicher Thiere zeichnen sich besonders die Höhlen bei Muggendorf im Baireuthischen aus. Am merkwürdigsten ist die gailenreuther Höhle. Die Gerippe bilden den Boden und zum Theil auch die Wandungen der aus sechs Abtheilungen bestehenden Höhle. In den hintern Abtheilungen herrscht ein aashafter Geruch und die Knochen sind von einer fetten Modererde bedeckt, welche aus den verwesten Thierkörpern entstanden ist. Die sämmtlichen hier aufgefundenen Thiere gehören nicht mehr existirenden Arten an und sind zum Theil so groß, daß man nicht begreift, wie sie durch die engen Eingänge der Höhlen haben eindringen können. Man hat Überreste eines Eisbären gefunden, der wenigstens 18 F. lang gewesen sein muß. – Eine der merkwürdigsten Höhlen ist die Krystallhöhle im Zinkenberge im Canton Bern, welche aus einer geräumigen Grotte voll der schönsten Bergkrystalle besteht, die zum Theil mächtige Säulen bilden und einen bedeutenden Werth haben. – Eine der größten bekannten Höhlen ist die adelsberger, sechs Meilen von Triest, in welcher man schon mehre Meilen zurückgelegt hat, ohne ihr Ende erreicht zu haben. Sie ist nicht nur eine Tropfsteinhöhle, sondern auch eine Wasserhöhle, denn mehre Flüsse, unter ihnen der Fluß Piuka, dringen in sie ein, und der letzte bildet sogar mehre Wasserfälle, die ein donnerähnliches Getöse verbreiten. Die Natur hat über diese Flüsse mehre Felsenbrücken geschaffen, und in den Flüssen hat man sogar lebende Fische gefangen. Schon den Alten bekannt war die Höhle auf Antiparos, welche aber erst seit dem Besuche des franz. Gesandten am türk. Hofe, Nointel, 1663 näher bekannt geworden ist. (S. Cykladen.) – Eigenthümlich sind die Schwefelhöhlen in Siebenbürgen in dem Berge Büdösch. Dicker, erstickender Schwefeldampf, der von unterirdisch brennendem Schwefel herrührt, zieht sich am Boden hin und soll große Heilkräfte besitzen. Viele Kranke bedienen sich dieser Schwefelbäder in den Höhlen. – Die Windhöhle im Äolsberge bei Terni im Kirchenstaate stößt fortwährend Wind aus, der während der größten Sommerhitze am kühlsten ist und den einige in der Nähe wohnende Landbesitzer durch Röhren in ihre Wohnzimmer geleitet haben, um hier eine angenehme Kühle zu verbreiten. Im Winter strömt die Luft nicht aus der Höhle heraus, sondern in sie hinein. – Die Fingalshöhle auf Staffa ist im Art. Basalt beschrieben worden. – Einen wunderbar herrlichen [405] Anblick bieten die Eishöhlen dar, wie sich solche z.B. am Brandsteine in der sogenannten Gems in Steiermark, bei Szilicze, zu Besançon, am Rothhorn im Canton Bern (das Schafloch) u.s.w. finden. Man glaubt in einem Zauberlande zu sein, denn ebenso mannichfaltig, wie sonst die Tropfsteingebilde, sind hier die Eismassen. Höchst merkwürdig ist es, daß diese Höhlen gewöhnlich im Sommer das meiste Eis enthalten und am kältesten sind, während wenigstens in einigen des Winters das Eis schmilzt und die Höhle endlich sogar trocken und warm wird. Die Ursache dieser Erscheinung ist, daß die Kälte in den Höhlen durch die Verdunstung erzeugt wird, welche im Sommer, wo die äußere Luft trocken und warm ist, am schnellsten vor sich geht und daher die größte Kälte in der feuchten Höhle hervorbringt. Im Winter hört die Verdunstung auf und die Höhle nimmt ihre natürliche Wärme an, welche um so größer ist, je tiefer die Höhle liegt.

Es würde viel zu weit führen, wenn man auch nur die merkwürdigsten Höhlen der Erde, soweit sie bekannt sind, anführen wollte, und es ist gewiß, daß man nur erst noch den allergeringsten Theil derselben kennt. In einigen Höhlen hat man unermeßliche Abgründe gefunden, welche vermuthen lassen, daß auch noch tief nach dem Innern der Erde hin die Höhlenbildung sich fortsetzt. Bei Friedrichshall in Norwegen finden sich drei runde Löcher, von denen das eine unergründlich ist. Man erzählt, daß, wenn ein Stein in dieses Loch geworfen wird, es zwei Minuten währe, ehe man ihn auffallen höre. Hiernach müßte die Höhle, in welche das Loch führt, eine Tiefe von gegen 60,000 F. haben oder etwa dreimal so tief sein, als der Chimborazo hoch ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 405-406.
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