Libussa

[739] Libussa, eine merkwürdige Person der Vorzeit Böhmens, war nach der halb mythischen Geschichte die jüngste Tochter des Krok, des Herrschers der Czechen und übertraf [739] ihre beiden andern Schwestern Kagi und Thetka an weiblicher Schönheit, männlichem Scharfsinne, prophetischen Gaben und mächtigen Zauberkünsten. Hierdurch kam sie nach des Vaters Tode in Besitz seines Thrones. Als sie aber einmal durch einen nachtheiligen Urtheilsspruch den Zorn eines Volksältesten erregt hatte, brachte dieser das Volk gegen sie in Aufstand, das von der jungfräulichen Regentin nun verlangte, ihre Herrschaft in die Hände eines Ehegemahls niederzulegen. Um dasselbe von seinem Entschlusse abzubringen, benutzte L., auf den Rath ihrer Schwestern, noch einmal ihre Gabe der Beredtsamkeit, um das Volk vor der strengen Regierung eines Mannes zurückzuschrecken. Da aber das Volk auf seinem Vorsatze beharrte, so gebot ihm L., ein heiliges Pferd und einen Königsmantel zu nehmen und Boten auszuschicken und jenes dem Manne zu geben, der auf einem eisernen Tische seine Mahlzeit halten würde: er sei der einzig Würdige, ihr Gemahl und des Volkes Herrscher zu sein. Die ausgegangenen Boten trafen beim, Dorfe Stadicz den jungen Bauer Przemisl, welcher seinen Pflug umgestürzt hatte und sich der Pflugschaar als Tisch bei seinem einfachen Mahle bediente. Die Boten führten ihn als Gemahl der L. heim und huldigten ihm als Könige. Przemisl und L. regierten nun das Volk und brachten dasselbe durch Gesetze zum Gehorsam, indem sie zugleich viele Burgen erbauten und den Grund zu der Stadt Prag legten. Dann entdeckte L. fast alle Bergwerke des Landes und starb nach einer glücklichen Herrschaft und von einer zahlreichen Nachkommenschaft umgeben um das Jahr 738.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 739-740.
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