Rath

[626] Rath und Rathschlag wird das Gutachten oder die Meinung genannt, welche Jemand in Bezug auf irgend eine Angelegenheit in der Absicht ausspricht, daß sie die Entschließungen und Handlungen eines Andern bestimmen helfe. Indem man Andern einen Rath ertheilt, übernimmt man für gewöhnlich keine Verbindlichkeit in Betreff von Richtigkeit und Erfolg desselben, denn es steht dem Berathenen frei, ob er ihn befolgen will. Kommt er dadurch in Nachtheil so kann er sich deshalb keineswegs an den Rathgeber halten, denn »Rathgeber bezahlen nicht«, sagt das Sprüchwort, es sei denn, dieser habe eine ausdrückliche Bürgschaft für seinen Rath übernommen oder sei durch sein Amt oder als Kunstverständiger verpflichtet, wie z.B. der Advocat, gewissenhaft und nach bester Einsicht zu rathen, sowie endlich, wenn der Rathgeber absichtlich bösen Rath gegeben haben sollte, um den Andern in Nachtheil zu bringen. Wer zu einem Verbrechen rathet, macht sich der Theilnahme daran allemal schuldig, welche bis zur Miturheberschaft gehen kann; ebenso zieht der einem Staatsoberhaupte ertheilte Rath, wenn er befolgt wird, für den Rathgeber beständig die Verantwortlichkeit wegen der Gesetzmäßigkeit desselben nach sich, der Rathgeber mag dazu amtlich verpflichtet sein oder nicht. – Man versteht unter Rath aber auch einen Rathgeber und es führen ferner eine Menge von Beamten höhern Ranges den mit vielerlei Zusätzen (z.B. Regierungs-, Consistorial-, Medicinal-, Schul-, Land- oder Forstrath u.s.w.) näher bestimmten Titel eines Raths, welcher aber auch blos als persönliche Auszeichnung und als Belohnung verliehen wird, ohne daß mit dem erhaltenen Titel eine amtliche Thätigkeit zusammenhängt, und man nennt daher die Inhaber solcher Rathstitel auch Titularräthe zum Unterschiede von den ihrem Titel gemäß amtlich angestellten wirklichen Räthen. Die vornehmsten sind in der Regel die wirklichen Geheimräthe, denen die Staatsräthe und die übrigen nach der in den verschiedenen Staaten geltenden Rangordnung folgen; als bloße Ehrenbezeigungen werden am häufigsten die Titel eines Hofraths, Commerzienraths, Kammerraths auch auf Ansuchen geeigneter Personen verliehen. – Rath heißt endlich auch eine Versammlung, ein Collegium von Beamten, die zu irgend einem Geschäft bestellt sind, so die Gesammtheit der Verwaltungsbehörden einer Stadt, daher sie auch der Stadtrath oder Magistrat (s.d.) genannt werden und die höhern Mitglieder desselben den Titel von Stadträthen führen, auch im Allgemeinen Rathsherren heißen und auf die absonderlich das Sprüchwort zielt: »Wenn du in den Rath gehst, so laß deine Person daheim«, d.h. habe nur das gemeine Wohl im Auge. Im Felde versammelt der Oberbefehlshaber eines Heers in schwierigen Fällen die vornehmsten Offiziere zu einem Kriegsrathe, um ihre Rathschläge zu vernehmen, und regierende Fürsten verlangen in bedenklichen Angelegenheiten die Meinung ihres versammelten Staatsrathes.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 626.
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