Masern

[72] Masern und Flecken sind allgemein übliche Namen eines mit Fieber verbundenen, ansteckenden Hautausschlags, der aus kleinen, blaßrothen, den Flohstichen ähnlichen, in der Mitte mit einem kleinen Knötchen versehenen und deshalb etwas erhaben und rauh anzufühlenden Flecken besteht, gewöhnlich von Augenentzündung, Schnupfen und Husten begleitet wird und sich meist um den siebenten bis neunten Tag mit zuweilen kaum merklicher Abschilferung der Oberhaut endet. Die Masern stammen wahrscheinlich, wie die Menschenpocken, aus den heißen Ländern und wurden zuerst zur Zeit der Kreuzzüge nach Europa gebracht; sie pflanzen sich meist durch Ansteckung fort, die durch unmittelbare Berührung des Kranken, durch von ihm gebrauchte Gegenstände und die ihn zunächst umgebende Atmosphäre vermittelt werden kann. Ihr Verlauf ist im Allgemeinen dem des Scharlachfiebers sehr ähnlich, nur gewöhnlich beiweitem gutartiger. Nachdem sich einige Tage zuvor Frösteln mit darauf folgender Hitze, Kopfweh, Schnupfen, Heiserkeit, Husten, Kurzathmigkeit, Drücken und Thränen der Augen u.s.w. eingestellt haben, kommen die beschriebenen Flecke, zuerst an der obern Hälfte des Körpers, zum Vorschein und verbreiten sich allmälig mit Ausnahme der Handteller und Fußsohlen über die ganze Oberfläche der Haut. Inzwischen entscheidet sich das Fieber durch Urin und Schweiß und hört auf, die Flecke aber werden, nachdem sie einige Tage gestanden haben, blässer und verschwinden in derselben Ordnung, in welcher sie erschienen sind, ohne eine Spur von sich zurückzulassen, und die obere Haut löst sich in sehr kleinen Stückchen, kleienartig, oft erst sehr spät und zuweilen kaum merkbar ab. Die Masernkrankheit befällt oft unter Begünstigung einer eigenthümlichen, jedoch nicht hinlänglich bekannten Luft- und Witterungsbeschaffenheit eine große Anzahl von Menschen gleichzeitig und gibt mitunter, zumal wenn sie nicht gehörig abgewartet wird, zu schlimmen Nachkrankheiten, namentlich der Augen und Lungen, Veranlassung. Sie verschont weder Alter noch Geschlecht, befällt jedoch vorzugsweise Kinder und tilgt in der Regel, wenn sie einmal überstanden worden, die Anlage dazu für die ganze übrige Lebenszeit, wiewol auch das Gegentheil oft schon beobachtet worden ist. So gutartig im Allgemeinen die Masernkrankheit ist, so haben doch manche Epidemien derselben einen bösartigen Charakter, z.B. wenn das sie [72] begleitende Fieber nervöser oder fauliger Art ist, sich zu dem Masernausschlage noch Friesel hinzugesellt u.s.w., wo dann zuweilen plötzlich und unerwartet der Tod eintritt. Ungewöhnlich heftige Brustbeklemmung nebst starkem Husten, Blutauswurf, übermäßiger Durchfall, Drüsenanschwellungen, öfterer Wechsel der Temperatur der Haut, Nervenzufälle u.s.w. kündigen die Gefahr an, die überhaupt vor gänzlich vollendeter Abschilferung nicht vorüber ist. Während der Dauer der Krankheit, besonders in den ersten Tagen derselben, ist im Allgemeinen ein mehr kühles Verhalten das zweckmäßigste. Nicht genug kann aber andererseits vor zu früher Einwirkung der äußern Luft gewarnt werden, daher die Kranken wenigstens noch einige Wochen nach dem Verschwinden des Ausschlags und jedenfalls so lange, bis die Abschilferung der Haut gänzlich vollendet ist, im Zimmer gehalten werden müssen.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 72-73.
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