[156] Mistel (die weiße) ist ein immergrüner, bis 2 F. hoher Strauch, der aber niemals in der Erde, sondern stets in der rauhen Rinde und dem Holze der Bäume, z.B. der Eichen, Linden, der Zapfenbäume, Eschen und Espen, Birn-, Äpfel-, Wallnuß- und Kastanienbäume wächst und daher zu den Schmarotzerpflanzen gehört. Die Äste sind gabelförmig und an den Spitzen derselben stehen die länglichen, [156] vorn abgerundeten, steifen und glatten Blätter einander gegenüber; im Frühjahr erscheinen in den Blattwinkeln die gelben. Blüten, aus denen anfangs grünliche, bei erlangter Reise im Spätherbst weißliche, erbsengroße und durchscheinende Beeren entstehen, welche ein Winterfutter mehrer Vögel sind, die zugleich, indem sie die darin enthaltenen Kerne unverdaut wieder von sich geben, oder wenn sie ihnen am Schnabel hängen bleiben, diese an den Zweigen der Bäume abstreichen, die Fortpflanzung der Mistel befördern. Diese verbreitet sich mitunter über alle Zweige eines Baums und entzieht ihn zum großen Nachtheile seines Gedeihens durch ihre Wurzeln einen wesentlichen Theil seiner Säfte. Die Stengel und Beeren dieses Gewächses werden zu Vogelleim, die Blätter von jeher als ein Mittel wider die fallende Sucht benutzt; in uralter Zeit aber galt nach der Lehre der Druiden (s.d.) die Mistel für ein Universalmittel, ja für heilig, und es knüpfte sich besonders an die auf Eichen gewachsene mancherlei Aberglauben. Sie ward mit Beobachtung vieler heiliger Gebräuche von weißgekleideten Priestern mit einem sichelähnlichen, goldenen Messer abgenommen und dem daraus bereiteten Tranke schrieb man alle nur denkbaren heilsamen Kräfte zu.