Muskeln

[226] Muskeln (die) des menschlichen und thierischen Körpers sind nichts Anderes, als was wir im gemeinen Leben Fleisch nennen. Sie bilden die Umhüllung der Knochen, sind von Adern und Nerven durchzogen, bestehen aus rundlichen, der Länge nach nebeneinander liegenden Fäserchen und sind durch Zellstoff untereinander zu größern oder kleinern Bündeln verbunden, die an beiden Enden zusammengeschnürt und mittels Flechsen und Sehnen an Knochen oder andern beweglichen Körpertheilen befestigt sind. Die Form der Muskelbündel ist meist keulenförmig und man hat den mittlern und meist stärkern Theil den Bauch, das eine dickere Ende den Kopf, das andere dünn ausgehende derselben den Schwanz genannt; die Bezeichnung Muskel aber kommt von dem lat. Worte musculus, das Mäuschen, her, indem man die Bewegung der Muskeln unter der Haut mit jener der Mäuse verglich. Die Fähigkeit der Muskeln, sich zusammenzuziehen und wieder auszudehnen, vermittelt auf die mannichfaltigste Art sowol die von unserm Willen abhängigen als auch alle andern Körperbewegungen, wie z.B. die des Herzens und der Eingeweide, und bewundernswürdig ist die dabei entwickelte Schnelligkeit und Kraft. Vermag z.B. Jemand in Zeit von einer Minute 1500 Buchstaben in Worten auszusprechen, so war dazu mindestens die doppelte Zahl von elastischen Bewegungen der Zungenmuskeln nöthig. Sehr verschieden ist natürlich die Kraft der Muskeln; zu den stärksten gehören die, welche den Unterkiefer bewegen, und es gibt Leute, die Pfirsichkerne zerbeißen können, welche erst [226] unter einem Drucke von 300 Pfunden zerbersten. Bei den niedrigen Thiergattungen tritt die Muskelbildung noch weich und gallertartig und nur annähernd an die faserigen Muskeln der höhern Thiere auf; doch öffnen und schließen z.B. die Schalthiere ihre Schalen mittels wirklicher Muskeln, die noch vollkommener an Würmern und Insekten hervortreten, in den Thieren mit rothem Blute sich immer mannichfaltiger entwickeln und am Körper der Vögel, Säugthiere und Menschen endlich die höchste Ausbildung erhalten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 226-227.
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