Niessbrauch

[291] Niessbrauch ist das Recht, von einer fremden Sache alle Früchte zu ziehen und sie so vollständig zu benutzen und zu gebrauchen, als dies geschehen kann, jedoch ohne daß dadurch die Sache selbst aufgezehrt oder in ihrem Wesen verändert wird. Zerlegt man die Eigenthumsrechte an einer Sache in die drei Haupttheile, das nackte Eigenthum (s.d.), den Besitz (s.d.) und den Nießbrauch, so findet man sie zwar meistentheils in einer und derselben Person vereinigt, häufig aber kommt es auch vor, daß sie unter zwei und selbst drei verschiedene Inhaber vertheilt sind und daß oft deren Eigenthümer nur das nackte Eigenthum bleibt. Gegenstand des Nießbrauchs kann eigentlich nur eine körperliche, nicht verbrauchbare Sache sein. Doch ließen die Römer auch einen Nießbrauch bei andern Sachen zu, welchen sie dann Quasi-ususfructus nannten. Die Rechte des Nutznießers bestehen darin, daß er die fremden Sachen vollständig [291] auch zum Besten Anderer benutzen und gebrauchen kann, daß er berechtigt ist, alle beim Anfange des Nießbrauchs noch hängenden und während desselben entstehenden Früchte zu percipiren, d.h. einzusammeln, wodurch er das Eigenthum daran erwirbt, was dagegen an den Eigenthümer der Sache zurückfällt, wenn der Nießbrauch vor der Perception aufhört, und daß der Nutznießer die Ausübung seines Rechts gegen Vergütung oder umsonst Dritten abtreten darf. Das Recht selbst kann er auf Niemandem übertragen, selbst nicht auf seine Erben, wenn nicht zu Gunsten derselben eine besondere Ausnahme bei der Bestellung des Nießbrauchs gemacht ist. Dafür muß er aber auch alle auf der Sache haftende Lasten und Abgaben tragen, dieselbe als ein guter Hausvater gebrauchen und sie in gutem Stande erhalten; werden ihm die Lasten zu schwer, so kann er sich vom Nießbrauch lossagen. Nach Beendigung des Rechts muß die Sache dem Eigenthümer zurückgegeben werden, zu dessen Sicherheit der Nutznießer gleich Anfangs eine Caution zu stellen hat. Bei dem Quasi-ususfructus kann der Nutznießer selbst die Substanz der Sache angreifen, wenn er nur nach Beendigung seines Rechts dieselbe Quantität und Qualität, oder, wenn es besonders verabredet ist, den Werth der Sache in Gelde zurückerstattet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 291-292.
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