[355] Orthopädie, ein Wort griech. Ursprungs, bezeichnet die Lehre von den Verkrümmungen des menschlichen Körpers und deren Heilung. In den Bereich derselben gehören der sogenannte schiefe Hals oder die Verdrehung des Halses mit Neigung des Kopfs nach einer Schulter, während das Gesicht nach der entgegengesetzten Seite sieht; die sogenannte hohe Schulter; die mannichfachen Verbiegungen der Wirbelsäule nach vorn, nach hinten, nach den Seiten; die hohe Hüfte; die Verkrümmungen, fehlerhaften Richtungen und Misbildungen der Gliedmaßen, welche an den untern weit häufiger vorkommen als an den obern, wie z.B. die an den verschiedenen Theilen der Schenkel und Beine vorkommenden Verunstaltungen und Krümmungen, die unter der Benennung Klumpfuß bekannte Verdrehung, ferner der Plattfuß, Pferde- oder Spitzfuß u.s.w. Dergleichen Verbildungen sind theils angeboren, theils erworben und in letzterm Falle die Folgen von übler Gewöhnung in der Haltung des Körpers oder von verschiedenen Leiden, wie z.B. von der sogenannten englischen Krankheit, von Lähmungen, von Knochenfraß u. dgl., von zu frühem Auftreten und Laufen der Kinder, von vorzeitigem und unzweckmäßigem Schnüren, von einem unglücklichen und vielleicht verheimlichten Falle. Für die heilbaren darunter gilt im Allgemeinen die Regel, daß, je jünger der Kranke, desto mehr Hoffnung für seine vollkommene Herstellung vorhanden ist. Zur Vollendung einer solchen Cur bedarf es indeß wenigstens eines Zeitraums von einem bis zu drei Jahren. Besteht aber die Misbildung schon seit einer Reihe von Jahren und ist das Wachsthum schon vollendet, dann ist freilich von keinem Heilverfahren großer Erfolg zu erwarten. Wie schon bemerkt, versteht man unter der in der Aufschrift angeführten Benennung außer den vorerwähnten Misbildungen selbst, auch die dagegen anzuwendenden Heilmittel, von diesen jedoch fast ausschließlich nur die mechanischen Hülfsmittel, wie die verschiedenartigen Verbände und Maschinen, namentlich die Streckwerkzeuge, von denen wieder das Streckbette, welches durch Zug und Druck zugleich wirkt, das wichtigste und wirksamste ist, die erfoderlichen körperlichen Übungen u.s.w. Zur Erreichung eines sichern und vollkommenern Erfolgs hat man in neuerer Zeit besondere orthopädische Anstalten errichtet, welche auch erfahrungsgemäß für die Heilung der hier in Betracht kommenden Kranken mehr Hoffnung gewähren, als wenn dieselben in ihren Wohnungen, im Kreise der Ihrigen, behandelt werden. Anstalten der Art müssen viele von den Eigenschaften besitzen, welche einem Krankenhause überhaupt zukommen. Da sie indeß vorzugsweise von Kindern benutzt werden, deren körperliches Gedeihen und Wachsthum die erste Rücksichtsnahme und deren Übel hauptsächlich diätetische Hülfsmittel erheischt, müssen sie noch besondere Vortheile darbieten, so namentlich mit einem geräumigen Garten versehen sein, damit die kleinen Kranken stete Gelegenheit zu körperlicher Bewegung in freier Luft haben, ferner mit einer Turnanstalt (und zwar nicht blos für Knaben, sondern auch für Mädchen), mit Einrichtungen zu Bädern aller Art, insbesondere aber zu Douchebädern u.s.w.