Bäder

[166] Bäder (die) waren schon bei den alten Indiern und Ägyptern ein Gegenstand der Gesundheitskunde und selbst der religiösen Gesetzgebung. Um so mehr muß man sich wundern, daß Moses es unterließ, den Gebrauch derselben seinem Volke zu empfehlen, was erst später durch die Talmudisten geschah, die namentlich dem weiblichen Geschlechte Reinigungsbäder vorschrieben. Bei den Griechen erwähnt schon der alte Dichter Homer des Bades im Hause als einer gewohnten Sitte und läßt die Troja belagernden Helden seines Volkes nach vollbrachten kriegerischen Großthaten baden, um sich zu erquicken und zu neuer Anstrengung zu kräftigen. Eine allgemeine Sitte war es unter ihnen, jedem einsprechenden Freunde und Fremden zunächst ein Bad zu bereiten, damit er sich von der Ermüdung der Reise erhole. Die von ihnen später errichteten öffentlichen Badeanstalten, deren innere Einrichtung vollkommen dem Zwecke entsprach, wurden durch den griech. Kunstsinn immer mehr zu großartigen Meisterwerken der Baukunst und standen mit den sogenannten Gymnasien, in welchen die körperlichen Übungen stattfanden und Vorlesungen gehalten wurden, in Verbindung.

Die Römer badeten nicht nur, wie die Griechen, im Hause, sondern hatten ebenfalls öffentliche Badeanstalten, in welchen in frühern Zeiten, als noch Sittenreinheit bei ihnen herrschte, jedes Geschlecht in einer besondern Abtheilung badete, und selbst nahe männliche Verwandte, z.B. Vater und Sohn oder Schwiegersohn, nicht zusammen baden durften. Geistige und körperliche Übung, sowie Erholung galten damals als Hauptzweck. In späterer Zeit jedoch, als der Luxus und die Sittenverderbniß überhandnahmen, wurden die Bäder Veranlassung zu grenzenloser Verschwendung und zu Schauplätzen der Üppigkeit. So nahm unter andern der Kaiser Caligula Bäder von wohlriechendem Wasser, deren jedes gegen 4000 Thaler kostete. Als Bauwerke waren die öffentlichen Bäder der Römer so prachtvoll und großartig, daß sie noch in ihren Trümmern die Bewunderung der späten Nachwelt erregen.

Die alten Deutschen badeten fleißig in den Flüssen, im Winter auch häufig warm; ihre Nachkommen gingen jedoch mit der Veränderung des Culturzustandes und ihrer ganzen Lebensweise allmälig davon ab. Die früher allgemeine Sitte des Badens verschwand einige Jahrhunderte hindurch beinahe ganz, bis im Mittelalter, hauptsächlich in Folge der Kreuzzüge, durch welche eine Menge Krankheiten nach Deutschland kamen, die Sorge für die Gesundheit das Baden wieder zu einem allgemeinen Bedürfnisse machte. Es wurden Badestuben errichtet, denen Bader vorstanden, die zugleich das Haarabschneiden und Bartscheeren besorgten und lange Zeit für anrüchig galten. Damals waren auch die Handwerksmeister verbunden, Sonnabends ihre Gesellen eine Stunde früher gehen zu lassen, um zu baden, und ihnen den Badegroschen zu geben. Dieses wöchentliche Baden, wegen des Gebrauchs der wollenen Hemden eine sehr heilsame Sitte, ward seit Einführung der Leinwand unterlassen. Die Badestuben wurden indeß meist nur von Leuten[166] aus der niedern Volksclasse besucht und kamen später in übeln Ruf.

Die Mohammedaner, welchen der Koran öftere Waschungen vorschreibt, lieben das warme Bad leidenschaftlich, während sie das kalte ganz vernachlässigen. Namentlich ist bei den Türken und Ägyptern das Baden für beide Geschlechter der höchste Genuß. Ihre Bäder befinden sich meist in ansehnlichen Gebäuden mit Kuppeln, welche Licht von oben hineinfallen lassen und gewähren Alles, was Luxus und Üppigkeit aufzubieten vermögen. Auch die jetzigen Griechen lieben warme Bäder und jede Griechin badet wenigstens einmal die Woche. In Indien wird ebenfalls viel und gewöhnlich sehr heiß gebadet und hierbei der Körper auf ganz eigenthümliche Weise behandelt, indem eigens dazu bestellte Bader ihn mannichfach drücken, pressen, renken und dehnen, sodaß die Gelenke krachen, was massiren genannt wird, dann frottiren und zuletzt salben, worauf der so Gebadete im Genusse einer äußerst behaglichen Ruhe schwelgt. In Japan ist warmes Baden allgemeiner Volksgebrauch. Auch gibt es daselbst öffentliche, sehr zweckmäßig eingerichtete Badeanstalten, deren die Regierung sogar an den Landstraßen hat anlegen lassen, wo Reisende sie unentgeltlich benutzen können.

In Rußland ist eine eigenthümliche Art Bäder allgemein verbreitet und in Städten wie auf dem Lande zum Bedürfniß geworden. Sie bestehen in meist aus Holz erbauten Sälen, welche große metallene oder steinerne, oben mit Flußkieseln bedeckte Ofen enthalten, die bis zum Glühen erhitzt werden. Auf die glühenden Kiesel wird kaltes Wasser gegossen und dadurch ein dichter Wasserdampf entwickelt, welcher die Badenden, die ganz entkleidet auf stufenweise sich erhebenden Bänken liegen, völlig einschließt und da er gewöhnlich eine Wärme von 30–40, ja manchmal von 40–50° R. hat, bald in starken Schweiß versetzt. Hat der Badende eine halbe, ganze oder auch mehre Stunden in diesem Dampfe zugebracht, so läßt er sich mit eingeweichten Birkenruthen peitschen, mit Seife reiben und dann mit kaltem Wasser waschen oder auch einige Eimer desselben sich über den Kopf gießen; ja, die niedern Volksclassen haben sogar die Gewohnheit, sich unmittelbar nach diesem Schwitzbade, sogar bei strenger Winterkälte, in einen Fluß oder Teich zu stürzen oder sich im Schnee zu wälzen. Dies ist das sogenannte russ. Dampfbad, welches seit den Feldzügen von 1813–15 auch außerhalb Rußland Eingang fand und jetzt fast in allen größern Städten Deutschlands eingerichtet worden ist, da es bei manchen Erkältungskrankheiten, bei Flüssen, Gichtbeschwerden u.s.w. sich als heilsam bewährt hat.

In Italien badet man gegenwärtig weniger, als das Klima erwarten lassen sollte, weshalb öffentliche Badehäuser auch viel seltener geworden sind, als sie es ehemals waren. Ein Gleiches gilt von Spanien und Portugal. Dagegen sind England, Frankreich und zum Theil auch Deutschland die Länder, in denen man den Nutzen der Bäder für Gesunde und Kranke erkannt hat und Badeanstalten, besonders in den größern Städten findet, die fast nichts zu wünschen übrig lassen. Was im Allgemeinen die Wirkung des Bades auf den Körper anlangt, so muß sie eine verschiedene sein, je nachdem dieser gesund oder krank ist; aber sie wird auch eine andere je nach der Beschaffenheit des Stoffes, den man zum Bade benutzt. Man badet nämlich nicht blos in gewöhnlichem Fluß- und Seewasser (Seebäder), sondern auch in den heilkräftigen Quellen (Mineralbäder), ja selbst in dem bei letztern sich vorfindenden Schlamme (Schlammbäder) und sucht gewöhnlichen Wasserbädern durch Zusatz, z.B. Kräuter, Eisen, Schwefel u.s.w., ja selbst Ameisenhaufen, besondere Wirkungen zu verschaffen. Auch bedient man sich der in eingeschlossenen Räumen erhitzten Luft, der Wasserdämpfe u.s.w. zu trocknen und feuchten Schwitzbädern, den sogenannten Dampfbädern, des von der Sonne erwärmten Sandes zu dem Sandbade und nimmt unter manchen Umständen Bäder aus Wein, Milch u.s.w. Einen sehr wichtigen, wenn nicht den wichtigsten Unterschied in der Wirkung des Bades begründet der verschiedene Wärmegrad desselben, sowie die Art und Weise seiner Anwendung. Oft werden nur einzelne Theile des Körpers der Einwirkung eines Bades ausgesetzt, wie dies bei den Fuß-, Hand-, Sitz- und Halbbädern der Fall ist, oder man beabsichtigt außer der Einwirkung einer Flüssigkeit und ihrer Bestandtheile eine gleichzeitige, mehr oder minder starke und anhaltende Erschütterung des Körpers oder einzelner Theile desselben und dann wendet man die sogenannte Douche, das Tropf-, Sturz-, Regen-oder Staubbad an. – Im Allgemeinen ist Gesunden während des Sommers das Baden in fließendem oder bewegtem Wasser, sei es nun in einem Flusse oder im Meere, sehr zu empfehlen, sowie im Winter das warme Baden, nur darf der Badende weder erhitzt noch mit vollem oder zu leerem Magen ins Wasser gehen, auch nicht zu lange darin verweilen und muß sich bei und nach dem Bade vor Erkältung hüten. Für Kranke ist das Baden ein mächtiges Heilmittel, oft das einzige, welches ihnen zu der verlorenen Gesundheit wieder zu verhelfen vermag, aber sie dürfen es nie anwenden, ohne vorher den Rath und die Vorschriften eines Arztes vernommen zu haben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 166-167.
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