Palimpsesten

[387] Palimpsesten nach dem Griechischen, lat. Codices rescripti, heißen wieder überschriebene alte Handschriften auf Pergament oder ägypt. Papier, welches nach Abschaben und Verlöschen der ersten darauf gebrachten Schrift zum zweiten Mal beschrieben wurde. Die unwissenden Abschreiber der im Mittelalter vielbegehrten Meß- und Chorbücher übertünchten und verlöschten die Schrift alter Pergamentrollen unbedenklich, um nur das Schreibmaterial wieder benutzen zu können, und schrieben ihre neuen Zeilen quer über die alten oder so, daß die alte Schrift auf den Kopf zu stehen kam, die mitunter noch dem bloßen Auge sichtbar geblieben ist. Durch chemische Mittel ist es möglich geworden, jene erste Schrift, wenn auch blos für Augenblicke, lesbar herzustellen und indem dies immer nur mit wenigen oder einzelnen Buchstaben geschieht, Copien davon zu machen. Auf diesem mühsamen Wege sind in neuester Zeit namentlich durch den erst mailänd., dann päpstlichen Bibliothekar Angelo Mai mehre werthvolle Bruchstücke verlorener Schriften der Alten aufgefunden worden, und man darf hoffen, daß auf dieselbe Art noch mehre sich finden werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 387.
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