Advocat

[28] Advocat, Rechtsbeistand, Sachwalter, Rechtsconsulent, im Preußischen Justizcommissarius, heißt Derjenige, welcher den Beruf erwählt hat, Andern in Wahrnehmung ihrer Rechte beizustehen und insbesondere sie vor Gericht zu vertheidigen. Er muß zu diesem Behufe die Rechte studirt und nach hinlänglicher Prüfung vom Staate die Erlaubniß erhalten haben, zu practiciren. Von dem Geschäft des Advocaten ist das eines Procurators (Gewalthabers, Agenten, Geschäftsführers) wol zu unterscheiden; es besteht in Besorgung rechtlicher, nicht vor dem Gericht zu verhandelnder Sachen, oder vor Gericht in bloßer Vertretung der Person einer der Parteien; z.B. durch Einreichung der von dem Advocaten ausgearbeiteten Schriften, Empfangnahme der der Gegenpartei, der gerichtlichen Verfügungen und Urtheile. Der Procurator muß deshalb durch eine Vollmacht oder sonst auf rechtsgültige Art darthun (sich legitimiren), daß und wie weit er Auftrag habe, für seinen Machtgeber zu handeln. Dies wird auch beim Advocaten verlangt, wenn er, wie in den meisten deutschen Ländern, zugleich Procurator ist. Der Advocat darf sich keinen Theil von Dem, was erstritten werden wird, oder eine gewisse Summe im Falle des Gewinns der Sache als Gebühr versprechen lassen, und ist verpflichtet, Jeden, der einen Prozeß anfangen will, welcher nicht gewonnen werden kann, möglichst davon abzurathen. Er haftet seinem Machtgeber (Clienten) für Irrthum und Versehen jeder Art; begünstigt er vorsätzlich zum Nachtheile desselben die Gegenpartei, so begeht er das Verbrechen der Prävarication, das neben dem Ersatze eine Criminalstrafe nach sich zieht. Neuere Gesetze haben der leidenden Partei noch die Rechtswohlthat der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugestanden. – Advocaten des Fiscus oder Fiscale sind die zur Wahrnehmung der Gerechtsame des Fiscus bestellten Armenadvocaten, die vom Staate zur Führung der Armensachen besoldeten Sachwalter. Denkt man sich den Beruf des Advocaten in seiner wahren Bestimmung, so gehört er zu den würdevollsten der bürgerlichen Gesellschaft, da es ein erhabenes Geschäft ist, Unrecht abzuwehren, von welcher Seite es auch komme, der Herrschsucht, der Rache, dem Eigennutze der Mächtigern, sowie den Vorurtheilen und Leidenschaften der Menge furchtlos die Stirn zu bieten und das Schild der Gerechtigkeit entgegen zu halten. Aber ebenso dunkel ist die Schattenseite dieses Standes, wenn es dahin gebracht ist, um des bloßen Gewinnes willen auch das offenbarste Unrecht zu vertheidigen, Lügen und Ränke nicht zu scheuen, Vertheidigungen in seichtem Geschwätz zu liefern und mit prunkenden und bestechlichen Worten in den Gerichtssälen aufzutreten. In Rom und Griechenland achteten es die größten Staatsmänner und die höchsten Beamten für eine Ehre, diesem Stande anzugehören, der auch gegenwärtig in Frankreich und England in Folge der Gerichtsverfassung dieser Länder eine viel ehrenvollere Stellung einnimmt, als in vielen deutschen Staaten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 28.
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