[17] Sage (die) ist die unbewußte Dichtung eines Volkes in mehr noch unentwickelten Culturzuständen, oder wenigstens noch nicht entschieden geschichtlichen Verhältnissen, in denen es irgend einen Vorfall oder irgend einen bemerkenswerthen Gegenstand in das Gewand einer wunderbaren Erzählung hüllt. Sie ist also der Übergang von der rein mythischen Anschauung (s. Mythe) zu der historischen Auffassung, da sie meist einen historischen Grund, gleichviel ob aus der Vergangenheit oder Gegenwart, hat, sich an besondere Örtlichkeiten anknüpft. Solchen Stoff aber bildet sie dichterisch frei um, verschmilzt ihn auch wol mit andern, schon früher im Munde gehenden, mehr mythischer Art erscheinenden Erzählungen. So gibt die Sage ein lebhaftes Bild von den ursprünglichen Zuständen eines Volkes selbst, sowie von dessen charakteristischen Vorstellungen und Ansichten, mit denen es seinen geschichtlichen Ursprung betrachtet oder besondere Ereignisse und Persönlichkeiten feiert und von Munde zu Munde die Tradition davon fortgehen läßt. Man unterscheidet Götter-, Helden-und Menschensage. Bei der ersten ragt die Vorstellung noch sehr ins mythische Element hinein; bei den beiden andern Arten ist der Anknüpfungspunkt an die Geschichte schon deutlicher, nur daß bei der Heldensage der Gefeierte noch viel fabelhafte Verherrlichung erfährt. Erhalten werden die Sagen aus der mündlichen Überlieferung durch Volkslieder, Volksbücher, Chroniken und Denkmale. In neuerer Zeit hat man besonders die deutschen Volkssagen zu herrlichen Dichtungen, namentlich in der Ballade und Romanze benutzt. Sammlungen deutscher Volkssagen haben wir den Gebrüdern Grimm: »Deutsche Sagen« (2 Bde., Berl. 1816–18), und »Die deutsche Heldensage« (Götting. 1829) zu verdanken. Eine noch weitere Bedeutung als Sage, nach allen dessen gegebenen Bestimmungen, hat das altnordische Wort Saga.