[171] Servĭus Tullius hieß der sechste König von Rom, welcher, der allgemeinen Annahme nach, von 578–534 v. Chr. regierte. Er war der Sohn einer im Kriege erbeuteten Sklavin des Königs Tarquinius Priscus, und wurde mit dessen Kindern erzogen. Er zeichnete sich bald aus und wurde der Schwiegersohn des Königs, und als dieser ohne Söhne zu hinterlassen starb, trat S. ohne Wahl des Volks und Senats, aber mit stillschweigender Zustimmung beider, als König auf. Er machte sich durch Vergrößerung, der Gewalt des Volks, Bezahlung von Schulden und Vertheilung eroberter Äcker beliebt. Später machte er mehre weise Einrichtungen, namentlich theilte er das Volk nach dem Vermögen in sechs Classen, und diese in Centurien, ordnete hiernach die Abgaben und die Kriegsdienste, und ließ meist nach Centurien abstimmen. Alle fünf Jahre wurde eine Schätzung (Census) abgehalten, um die Classeneintheilung aufrecht zu erhalten, und dieselbe begann mit einem allgemeinen Reinigungsopfer, Lustrum genannt. Um die Enkel des Tarquinius Priscus, die er vom Throne verdrängt, zufrieden zu stellen, vermählte er sie mit seinen Töchtern. Aber der ältere Lucius Tarquinius und die Gemahlin des jüngern, Tullia, verbanden sich zum Sturze des S. Sie ermordeten jener seine Gattin, diese ihren Gatten, verleumdeten ihren Vater als Despoten und Kronräuber, und brachten die Patrizier auf ihre Seite. Das Volk stand bei S., da ermunterte die unnatürliche Tullia ihren Buhlen, den S. zu ermorden, um als Tarquinius' Gattin den Thron einzunehmen.