Wiederkäuen

Wiederkäuen

[710] Wiederkäuen wird die auf dem besondern Bau des Magens vieler Säugthiere beruhende, eigenthümliche Einrichtung der Verdauung genannt, vermöge der die verschluckten Nahrungsmittel in kleinen Mengen wieder in das Maul zurückkommen, hier nochmals gekaut und zum zweiten Male verschluckt werden.

Die Säugthiere, welche mit dieser Eigenthümlichkeit begabt sind, hat man daher zu der Ordnung der Wiederkäuer vereinigt, und unterscheidet solche ohne [710] Hörner (s. Kameel, Lama), andere, welche Geweihe tragen (s. Hirsch, Rennthier, Elenthier, Giraffe) und solche mit Hörnern (s. Gemse, Rindvieh, Schaf, Steinbock, Ziege). Die Wiederkäuer nähren sich sämmtlich von Pflanzenkost und haben einen vierfach abgetheilten Magen, dessen größte, zur ersten Aufnahme der nur grob gekauten und mit Speichel vermischten Nahrungsmittel bestimmte Abtheilung der Pausen, Wanst, Wampe heißt, nach der linken Seite liegt und mehr dünnhäutig ist. Aus ihr geht das von Magensaft durchdrungene Futter in die zweite über, welche die Haube, Mütze oder das Netz heißt, und die kleinste ist. Hier werden die festern Theile zu Bissen geformt und nach und nach wieder in das Maul zurückgetrieben, wo sie zum zweiten Male gekaut und mit Speichel vermischt werden und dann wieder verschluckt und in die Psalter, Löser, Blättermagen, Kalender, Mannichfalt genannte Abtheilung übergehen. Diese besteht aus einer Menge häutiger Blätter, deren Anzahl beim Schafe über 40, beim Rindvieh mehr als 100 ist, und zwischen denen die Nahrungsmittel sich lagern, mit einem sauren Magensafte vermischt und in eine gleichartige Masse, den Speisebrei, verwandelt werden. Die Speiseröhre führt zu diesen drei Magenabtheilungen und nachdem das Futter 18–24 St. im Psalter verweilt hat, geht es endlich in die vierte, den Laab- oder Käsemagen, auch Fettmagen, über, welcher dem Magen anderer Thiere gleicht. Die Verdauung des Speisebreies wird in diesem vollendet und hier beginnt die Absonderung des eigentlichen Nahrungssaftes. Flüssiges, dem Kauen nicht unterliegendes Futter und Getränke gehen sogleich in den Psalter und Laabmagen über. Gewöhnlich wiederkäuen (knälen) diese Thiere im Liegen und überhaupt in der Ruhe. Äußere Kennzeichen sind die gespaltenen oder zweizehigen Hufe, in der untern Kinnlade sechs bis acht, in der obern keine oder höchstens zwei Vorderzähne, anstatt der mangelnden aber ein harter Wulst; gewöhnlich fehlen die Eckzähne und die Backenzähne sind anschließende oder abgeschrägte Mahlzähne. Dem Menschen gewähren die Wiederkäuer vor andern Thieren die mannichfaltigsten Vortheile sowol im Leben durch Benutzung ihrer Kräfte zum Ziehen und Tragen und ihre Milch, als auch durch ihr Fleisch, ihre Häute, Wolle, Knochen und andere nutzbare Theile.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 710-711.
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