[439] Cochinchina, Provinz des anamesischen Kaiserthums in Hinterindien, ist ein schmales Küstenland am chinesischen Meere. Der Flächeninhalt soll 2800 Quadrat Meilen, und die Volksmenge 1,300,000 betragen. Die Cochinchinesen sind chinesischer Abkunft, und stammen aller Wahrscheinlichkeit nach von den Chinesen ab, welche bei dem Einfalle der Mandschuren von da auswanderten Der Menschenschlag ist klein, aber kräftig. Die Frauen werden gleich den Tunkinesinnen für schön gehalten; doch entstellen sie in den Augen des Europäers die schwarzgebeizten Zähne und roth gefärbten Lippen. Ihre Tracht ist sehr einfach, und besteht aus einem wollenen oder seidenen Hemde, das bis an die Knie reicht. Darunter tragen sie weite Beinkleider von verschiedener Farbe, auf dem Kopfe einen Turbän, der bei den Männern aus schwarzem, bei den Frauen aber aus blauem Krepp besteht. Letztere wickeln das schwarze glänzende Haar, auch in einen Knoten über dem Scheitel, oder lassen es in langen Zöpfen herabhängen. Die Vornehmen tragen Schuhe, welche vorn stumpf und zurückgebogen sind. Die goldgelbe Farbe ist nur dem König und seiner Familie gestattet. Das Betelkauen ist allgemeine Sitte. Die Frauen stehen hier in größerer Achtung, als bei vielen andern asiatischen Völkern. Sie dürfen allein ausgehen, Besuche annehmen und sich vor Fremden unverschleiert zeigen. Der Mann hat nur eine rechtmäßige Frau, darf sich aber Nebenweiber halten. Die Töchter bekommen fast gar keine Ausstattung. Ihre Hochzeiten sind sehr feierlich, doch findet eine priesterliche Einsegnung nicht Statt. Die Bewerbung um ein Mädchen geschieht durch die Eltern des Jünglings mittelst mehrerer Speisen, welche den Eltern der Jungfrau angeboten werden. Essen diese davon, so ist der Heirathsantrag angenommen. Ost muß auch der Bewerber den Eltern der Geliebten mehrere Jahre als Sklave dienen. Sobald die Eheleute[439] Kinder bekommen, nehmen sie den Namen derselben an. Man trauert bei Sterbefällen in weißen Kleidern. Die Ehre eines schönen Begräbnisses ist das Streben eines Cochinchinesen, so lange er lebt; die prächtig geschmückten Särge werden schon bei Lebzeiten bestellt und prunken als Hausgeräthe in der Wohnung. Nach dem feierlichen Begräbniß folgt stets ein großes Gastmahl. Man gibt der Leiche viele Kostbarkeiten, sogar bedeutende Summen Geldes mit in's Grab. Wie bei den Chinesen, sind auch hier die äußern Höflichkeisformen sehr wichtig. Frauenzimmer setzen sich beim Grüßen und beugen den Kopf bis auf die Knie herab. Bei Gastmählern herrscht die strengste Rangordnung. Bei jedem Besuche muß man irgend ein Geschenk machen. Lobt ein Vornehmer in der Wohnung eines Niedern irgend ein Hausgeräthe, so muß es ihm dieser am folgenden Tage als Geschenk übersenden. Wohlhabende reisen in Palankins, welche von vier Personen getragen werden. Man liebt hier leidenschaftlich das Spiel, namentlich Schach, Kartenspiele, auch Glücksspiele mit Münzenwerfen etc. Zu den öffentlichen Vergnügungen gehören Wettrennen in Kähnen, Schauspiele, die aus dem Chinesischen übersetzt sind, Kämpfe etc. Die Musik ist sehr lärmend. Der Tanz wird nur von öffentlichen Tänzern bei Feierlichkeiten ausgeübt. Man sieht hauptsächlich auf schöne Bewegungen und weniger auf Sprünge und rasches Toben. Abschreckend ist die Unreinlichkeit der untern Volksklassen. Die Cochinchinesen verehren, eben so wie die Chinesen, den Ackerbau als die edelste Beschäftigung. Nebenbei treiben sie noch Gartenkultur und Fischfang, Seidenbau und Viehzucht. Jede Haushaltung sorgt ferner für die wichtigsten Lebensbedürfnisse, und so sind viele Handwerker, als: Schneider, Schuhmacher, Bäcker etc. entbehrlich. Da hier, wie im ganzen Kaiserthume Anam alle Männer geborne Soldaten sind, so liegt der größte Theil der häuslichen Geschäfte den Weibern ob. Das tropische Klima wird durch die Seewinde sehr gemäßigt. Der Boden ist ungemein fruchtbar. Die Wälder haben, [440] außer verschiedenen Arten wohlriechender Hölzer, z. B. Adler- und Rosenholz, auch eine Menge Bäume, deren Holz zum Färben, Bauen und zu Geräthschaften dient. Merkwürdig sind die Firniß-, Gummi- und Pechbäume, so wie das Bambus und spanische Rohr. Vom Zuckerrohr gibt es zwei Gattungen, wovon die eine von den Einwohnern roh gegessen wird. Indigo wächst in großer Menge, so auch Baumwolle. Am häufigsten wird Reis gebaut, wovon es 6 Sorten gibt, so auch Thee, der aber dem chinesischen an Wohlgeschmack nachsteht. Zu erwähnen ist noch der giftige Bohonupasbaum und eine Art Rosen, die 3 mal täglich ihre Farbe verändern, des Morgens weiß, Mittags blaßroth und Abends hochroth erscheinen. An Mineralien findet man Eisen, (vieles gediegen) Gold, Waschsilber, Platina, Salz, Marmor, Alabaster, Rubinen, Smaragde, Topase. Aus dem Thierreiche sind besonders anzuführen: das Rhinozeros, die Unze, der Panther, der wilde Hund, der Königstiger, Elephanten, Büffel, Ochsen, Pferde, Kühe. Die Milch der Letztern wird aber nicht genossen. An Fischen ist ein ungeheurer Ueberfluß, das Meer liefert Muscheln, Austern, Korallen. Groß ist der Reichthum an Geflügel. Enten werden in Schaaren zu 15,000 nach der Ernte auf die Reisfelder getrieben. Bemerkenswerth sind noch die Meerschwalben, Papageien, Kolibris und Goldfasane. Von Amphibien gibt es Eidechsen von 34 Fuß Länge, Krokodile, Schildkröten und Riesenschlangen. Die ärmere Klasse ist trotz des Reichthums an Nahrungsmitteln in der Wahl derselben nicht lecker, und verzehrt Ratten, Mäuse, Würmer, Frösche und auch viel Hundefleisch. Sogar Krokodile werden als Leckerbissen verspeist. Die Hauptstadt von Cochinchina und zugleich die Residenz des Kaisers ist Hué, an der Mündung des gleichnamigen Flusses. Sie ist zwar regelmäßig, aber armselig gebaut. Nur die kaiserlichen Gebäude, die Juryhäuser und Getreidemagazine sehen stattlich aus. Der Hauptbazar ist eine engl. Meile lang, Die Befestigungswerke sind ausnehmend schön und ganz nach europäischer Art angelegt. Die[441] Zahl der Einwohner wird sich auf 40,000 belaufen. Es haben sich hier viele Chinesen als Kaufleute niedergelassen, welche in der Regel große Reichthümer erwerben.