Edelsteine

[262] Edelsteine. Ein Stein, dessen Farbe an sich dem Auge wohl thut, oder dessen buntes Farbenspiel ergötzt (wie Diamant, Quarz, Zirkon), ein Stein, der selten ist, große Härte hat, und daher eine schöne Politur annimmt, heißt Edelstein. Der Werth der verschiedenen ist durchaus eingebildet, und hängt von der größern oder geringern Seltenheit, von der Entfernung des Fundortes, oft auch von der Mode ab, wie denn z. B. im Orient, in Indien, die bunten, bei uns die weißen Steine in einem höhern Werthe stehen. Zu sagen, wo sie besonders gefunden werden, ist eben ihrer großen Verschiedenheit wegen, unmöglich, ja man kann nicht einmal den heißen Erdgürtel als ihre eigentliche Heimath angeben, denn es werden in Böhmen Granaten und am Ural Berylle von so großer Schönheit gefunden, daß man sie den ostindischen bei weitem vorzieht. Ihre Rangordnung läßt sich wohl nur nach ihrer Seltenheit, nicht zugleich nach ihrem Preise bestimmen; da wäre denn der erste der Diamant, ihm folgt der Saphir blau, der Smaragd grün, der Rubin dunkelroth, geglüht hellroth, Beryll grün, Opal Regenbogenfarben spielend, in etwas großen Stücken von hohem Werth, Granat, Hyacinth roth und gelb, Topas wasserhell, auch gelb (wenn er grau oder bräunlich, wolkig ist, sogenannter Rauchtopas, so ist es Quarz und nicht Topas), Chrysopras und Carneol, diese alle sind Ring- und Schmucksteine. Die sogenannten Halbedelsteine, Amethyst (Quarz, durch Mangan violet gefärbt), Chalcedon, Sardonix, Quarz oder Bergkrystall, Onix, Achat, alle verschiedenfarbig, oft schichtenweise, Aquamarin wassergrün, Türkis himmelblau, Lasurstein (Lapis Lazuli) höchst prachtvoll blau – etc. haben einen [262] viel geringern Werth als die vorhin genannten, und werden mehr zu Nippes, Tabatieren, Bonbonieren, Petschaften etc. oder wohl zu noch größern Sachen, zu Schalen, Vasen, Standuhrgehäusen verarbeitet. Onix war besonders im Alterthum geschätzt, indem man daraus die berühmten Gemmen schnitt, Bildhauerarbeiten von der allerhöchsten Feinheit, wobei man mit vielem Geschmack die verschieden gefärbten Lagen dieses Steines zu benutzen wußte, so daß man Figuren von zwei bis drei Schattirungen auf einem ganz anders aussehenden Grunde erhielt. Diese Kunst hat sich, man möchte fast sagen, vervollkommnet, es werden jetzt mit leichter Mühe Steine geschnitten, welche an Trefflichkeit der Ausführung leicht die alten übertreffen, wie denn unbezweifelt ist, daß Heldengestalten von Thorwaldsen und anmuthige, liebliche Frauengestalten von Canova in einer Weise dargestellt worden sind, welche sich der Antike nähert, und an die Seite stellt, ohne als zu dreist abgewiesen werden zu müssen. Eben so findet man Gemmen von Achat und Onix, die nur der vollendetste Kenner, nicht an den Figuren – denn diese sind so schön wie die Antiken, sondern an eigenthümlichen Kleinigkeiten zu erkennen vermag, wobei er sich auch übrigens oft genug täuscht. Das Schleifen und Poliren der Edelsteine, das sogenannte Facettiren, versteht man überdieß jetzt viel besser als ehemals. Auch hat man die Edelsteine nachmachen gelernt, indem man eine möglichst harte und weiße Glasmasse durch Metalloxyde beliebig färbt, die von dem ganz undurchsichtigen schwarzen Glase, welches in Oestreich unter dem Namen Hyalith gemacht wird, bis zu dem reinsten diamantähnlichen Glasfluß, und es gehört eine Feile, ein mechanisches oder ein chemisches Prüfungsmittel dazu, die falschen von den echten Steinen zu unterscheiden. Der Edelsteinschmuck ist vor allen andern Völkern den Orientalen eigenthümlich, und er ist dort eben so nothwendig zur magisch bezaubernden Würde eines Fürsten, als zur Erhöhung der Reize einer Sclavin im Harem. Der bekannte Pfauenthron der mongolischen Kaiser starrte von Diamanten,[263] und stellte einen Pfau mit offenem Schweife aus Gold und Edelsteinen vor. Die modischeste Edelsteinverzierung auf den Bällen des Winters von 1835 in Paris wird als Kopfputz getragen, und besteht aus einem goldnen Reisen mit einem prachtvollen Juwel in der Mitte der Stirn, z. B. einem großen, von Rubinen umgebenen Opal mit Diamanten, oder einer Blume von allerhand farbigen Edelsteinen oder Diamanten, einem Vogel von Diamanten etc. Dieser Putz hält die Mitte zwischen Diadem und dem Stirnbande.

V.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 262-264.
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