Elasticität

[308] Elasticität. Eine an sich unerklärbare, in allen Körpern ohne Ausnahme, doch in sehr verschiedenem Grade, vorhandene Kraft, Es laßt sich die Wirkung dieser Kraft nur beschreiben, nicht definiren, wie alle Grundkräfte der Natur uns unerklärbar sind. Elastisch sind alle diejenigen Körper, welche nach einer Veränderung ihrer Form durch Druck, Beugung, Dehnung etc. ihre vorige Gestalt wieder anzunehmen streben. So ist Elfenbein elastisch, denn zwei Kugeln an einander gestoßen, platten sich ab, nehmen aber, sich wechselseitig zurückstoßend, ihre frühere Gestalt wieder an. – Elastisch ist eine gute Degenklinge, denn sobald die Gewalt, welche sie krümmte, nachläßt, springt sie wieder in die Höhe, und wird ganz gerade. Dieß führt uns auf eine doppelte Art von Elasticität – auf die, welche sich bei der Ausdehnung, und auf die, welche sich bei der Zusammendrückung zeigt. Beide Arten sind in einer gebogenen Stahlfeder, oder Stahlklinge am deutlichsten zu zeigen. Die Krümmung macht die gerade Klinge auf einer Seite [308] erhaben, auf der andern hohl: dort, wo sie erhaben ist, werden die Theile des Stahles ausgedehnt, dort, wo sie gehöhlt ist, werden die Theile zusammengeschoben. Die gedehnten ziehen sich zusammen, die gedrückten dehnen sich aus, um die gerade Linie wieder herzustellen. Dasselbe findet mit flüssigen und luftförmigen Körpern Statt. Die Elasticität der Luft wirkt in der Windbüchse am deutlichsten, allein sie ist in dem Windkessel einer Feuerspritze und in der Klatschbüchse, welche sich der Knabe aus einer Federpose macht, nicht minder sichtbar. Eine der gewaltigsten Potenzen, eine Alles besiegende Kraft ist die Elasticität in erhöhetem Grade – sie wirft in Form des Pulverdampfes eine hundertpfündige Bombe halbe Meilen weit, sie sprengt Felsen in die Luft, sie treibt in Gestalt des Wasserdampfes große Schiffe über den Ocean, und Dampfwagen über den bewohnten Erdball, sie setzt Hunderte von Rädern, und Tausende von Spulen und Fäden in Bewegung, wenn sie auf eine Spinnerei angewendet wird; sie ist die Bedingung des Schalles. Ohne sie wurde keine Saite klingen, keine Glocke, keine Orgel, kein Blasinstrument tönen, ohne sie würde der Botokude nicht seinen Bogen spannen, und der geschickteste Künstler keine Taschenuhr machen. So wird sie der Mechanik von höchster Wichtigkeit, und jeder Mensch bedient sich dieser Kraft jeden Tag und jede Stunde, ohne es zu wissen. Denn das Sopha, auf dem wir sitzen, der Strumpf, den wir anziehn, das Bette, die Matratze, worauf wir liegen, die Feder, mit der wir schreiben, braucht der Elasticität, und ist ohne diese nicht brauchbar. Doch wenn man auch ihre Wirkung beschreibt, so kann man doch die Kraft selbst nicht näher als durch ihre Wirkung erkennen, ja wir wissen nicht einmal, was diese Kraft bedingt, vermehrt oder vermindert. Denn wenn die Wärme die Elasticität der Dämpfe auf das Unglaublichste steigert, bis glühenden Dämpfen nichts auf der Welt mehr widerstehen kann, und diese ganze Tausende von Quadratmeilen zerstören wie wir an den furchtbaren Erdbeben sehen, die sich von Quito[309] in Südamerika, bis nach Lissabon und Smyrna in Europa und Asien erstreckten – so nehmen wir auch wahr, daß dieselbe Wärme die Elasticität des Stahles so verringert, daß sie zuletzt ganz verschwindet, und wenn Kälte, d. h. Frost, das Eis so elastisch macht, daß man Billardkugeln daraus drehen kann, so macht es dagegen denselben Stahl so spröde, daß nicht selten die Feder in der Taschenuhr ohne äußere Veranlassung zerspringt.

V.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 308-310.
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