[58] Falieri, Marino. Von dem alten Palaste der Dogen in Venedig führt eine prachtvolle Treppe, die scala dei giganti, hinab auf einen kleinen, an die sogenannte Piazetta grenzenden Hof, und auf dieser Riesentreppe war es, wo am 17. April 1355 das Haupt des 61 jährigen Doge Marino Falieri unter dem Beile fiel. In Venedig standen damals die Nobili dem Volk gegenüber, wie einst im alten Rom die Patricier den Plebejern. Die Unterdrückten murrten heftig und arbeiteten im Stillen an einem Racheplan. Eine[58] bedeutende Verschwörung bereitete sich vor, daß aber Falieri, der Doge, selbst Theilnehmer daran wurde, war die Schuld seines schönen, jungen Weibes. Sie fühlte sich an seiner Seite unglücklich und blieb bei den Huldigungen eines jungen Nobile, Michelo Steno, nicht gleichgiltig. Auf einem Maskenballe entflammte die Kühnheit des Letztern den Zorn und die Eifersucht des Dogen so sehr, daß eine heftige Scene erfolgte. Steno gereizt, beleidigte und beschimpfte den Greis, welcher von den Gesetzen Genugthuung verlangte. Aber diese verurtheilten den Nobile nur zu einer kurzen Gefängnißstrafe, während der Doge den Tod seines Nebenbuhlers verlangte. Da ihm hierin nicht gewillfahrt ward, so beschloß er im wilden Zorne sich der Volkspartei zu ergeben. Beim Klang der Sturmglocke sollten am Abend des 15. April 1355 alle Nobili ermordet werden. Aber Tags zuvor wurde die Verschwörung verrathen, mehrern das Geständniß mittelst der Tortur abgepreßt und Marino auf derselben Stelle, wo er ein Jahr zuvor der Republik Treue geschworen, enthauptet. Diese tragische Begebenheit, so reich an Kämpfen der Leidenschaft, diente bereits mehrfach zum Süjet von Trauerspielen und Erzählungen. Der klagende Gesang der sehnsüchtigen Dogaressa:
Ah, senza amare, andare sul mare
Col sposo del mare, non può consolare!
aus einer der interessantesten, ist gewiß der Mehrzahl unserer Leserinnen noch erinnerlich.
F.