Giorgi, Marie

[433] Giorgi, Marie, eine der berühmtesten Claviervirtuosinnen, ließ sich bereits als Kind von 9 Jahren in ihrer Vaterstadt Bologna öffentlich hören und erntete sowohl wegen der Fertigkeit ihres Spiels als vorzüglich wegen des schönen Vortrags allgemeine[433] Bewunderung. Ganz begeistert von der Kunst, der sie ihr Leben weihen, von dem Ziel der Vollendung, das sie erstreben wollte, arbeitete die junge Künstlerin mit unermüdetem Eifer an ihrer Fortbildung und erwarb sich bald einen so ausgebreiteten Ruf, daß das Kloster des heil. Bartholomäus sie zur Leitung seiner geistlichen Musik nach Ankona berief, wo Marie 3 Jahre zubrachte. Nach ihrer Rückkehr verheirathete sie sich mit Ludwig Giorgi und begann mit ebenso ausdauerndem Eifer als glücklichem Erfolg das schwierige Studium der Harmonie und des Contrapunktes, ohne jedoch die Vervollkommnung auf dem Pianoforte einen Augenblick aus den Augen zu setzen. Viele ihrer Compositionen sind noch jetzt gleich geschätzt und beliebt, und es gehörte gewiß zu den auffallendsten Erscheinungen, die kriegerische Jugend von Bologna ihre Uebungen nach der Musik einer zwanzigjährigen, mit allem Schimmer der Kunst und des Talents, wie der Schönheit und Liebenswürdigkeit umkleideten Frau ausführen zu sehen. Dabei gewannen ihr die Bescheidenheit und das Wohlwollen, womit sie gern und gefällig Andern ihre Erfahrungen mittheilte, die Achtung und Zuneigung Aller derjenigen, die sie zu Rathe zogen. Clementi und der unsterbliche Haydn hörten sie in Venedig. Mehr noch als die Fertigkeit ihres Spiels, war es das tiefe Gefühl des Vortrags, welches ihr so ungetheilten Beifall erwarb, weil sie mit unwiderstehlichem Zauber über die Empfindungen, die ihre Töne hervorriefen, die Bewunderung ihrer Kunst vergessen machte und in den Klängen die Zartheit der eignen Seele, wie in einem klaren Spiegel wiederzugeben wußte. Marie sollte einem Sohne das Dasein geben, und das ihrige dabei verlieren. Sie starb in der Blüthe des Lebens, erst 31 Jahre alt, am 26. Decbr., 1811. Die Kunde ihres Todes erregte in ihrer Vaterstadt, wie in ganz Italien, die tiefste Trauer; fünfhundert Musiker folgten ihrem Sarge und die philharmonische Akademie, deren Mitglied die Verewigte gewesen, veranstaltete eine Todtenfeier.[434]

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 433-435.
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