Spiegel

[349] Spiegel. Dieses unersetzbare Hauptstück der Damentoilette, war schon in früher Zeit bekannt. Die ersten S. waren von Metall; und im 4. Buche Mosis lesen wir, daß man die S. der Frauen schmolz. Schon damals also machten die israelitischen Frauen von den S. Gebrauch und vergaßen nicht dieselben mitten in der Wüste, wo oft das Nothwendigste mangelte, mitzunehmen. Berühmt war im Alterthum der der Lais, vor dem diese reizendste aller Griechinnen ihre Toilette machte. Man verfertigte die S. außer dem Erze auch aus Zinn und polirtem Eisen, die ersten Glasspiegel gingen aus den Glashütten Sidons hervor. Praxiteles, im 1. Jahrh. v. Chr., erfand die silbernen S., deren sich die vornehmen Römerinnen bedienten. Eine eigens blos hierzu bestimmte Zofe mußte der stolzen Dame den silbernen S., der zuweilen rund, gewöhnlich aber von ovaler Form war, vorhalten, welches eine ebenso mißliche als verdrießliche[349] Rolle war. Mit kunstmäßiger Gewandtheit mußte sie jeden Blick ihrer Gebieterin bewachen und ihr den S. bald zur Linken, bald zur Rechten halten. Zuweilen übernahm wohl auch der Cicisbeo der Dame, wenn er Zutritt bei ihrer Toilette erhielt, das Geschäft der Spiegelhalterin, weßhalb ein alter Dichter dem Liebenden zuruft:

Halt es auch nicht für schimpflich, so schimpflich es sein mag, den Spiegel

Vorzuhalten; dir ziemt, Sclavin dem Mädchen zu sein!

Dieser Toilettenspiegel war oft ringsum mit Edelsteinen besetzt und bestand aus einer silbernen Platte, deren hintere Seite mit getriebenem Goldbleche belegt war. Die glänzende Spiegelscheibe ruhte auf einem elfenbeinernen Griffe, an welchem auf beiden Seiten zwei Schwämmchen befestigt waren, um den geringsten Dunst oder Anhauch von der Metallfläche sogleich wegzuwischen. Mit diesem Griffe nun hielt die Sclavin den S. in der Rechten, indem sie unter dem linken Arme das zierliche Futteral desselben trug. Auch hatte man prächtige Silberspiegel in völliger Lebensgröße, und überhaupt wurden unsägliche Summen an dieses Toilettenstück verschwendet. - Unsere jetzigen Glasspiegel, welche bekanntlich, um die Lichtstrahlen zurückwerfen zu können, an der hintern Fläche mit schwarzem Tuche oder Lacke, gewöhnlich mit einer Mischung von Zinn und Quecksilber, dem Zinnamalgama (auch Spiegelfolie und im unverarbeiteten Zustande Stanniol genannt), belegt sind, werden entweder gegossen oder geblasen, und dann auf beiden Oberflächen, besonders auf der auswendigen, mit seinem Sande oder mit Schmirgel und Wasser, geschliffen. Nach Beschaffenheit ihrer Flächen theilt man sie in gerade oder Planspiegel (concave), und in gekrümmte. Letztere sind Cylinderspiegel, Hohlspiegel, Kegel- und Kugel- oder Convexspiegel, welche sich sämmtlich ohne Zeichnung nicht vollständig beschreiben lassen. Der bekannteste der Hohlspiegel ist der Brennspiegel (s. d.). Ueber die berühmtesten Spiegelfabriken vergl. den Artikel: Glas. – Am Weitesten in der Spiegelverfertigung hat man es jetzt in [350] Frankreich gebracht: in St. Gobain goß man schon S. von 173 Zoll Länge und 125 Zoll Breite.

V.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 349-351.
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