[218] Heimweh. Die Sehnsucht nach der Heimath (s. d.) erzeugt das Heimweh. Es ist ein Krankheitszustand, der sich durch eine eigenthümliche Schwermuth und Abspannung kund thut, in Marasmus und Schwindsucht übergeht und den Tod zur Folge hat. Besonders sind es Bergvölker und Nordländer, die, von ihrem Vaterlande geschieden, am Heimweh leiden. Nur in ihren Bergen, auf ihren Schneefeldern können sie glücklich sein; früh oder später erwacht die Sehnsucht nach der Heimath. Der Schotte vergießt in der Fremde Thränen, hört er die Molltöne der Sackpfeife, seines vaterländischen Lieblingsinstrumentes, das ihm seine geliebten Berge und Hochebenen in die Erinnerung zurückruft. Unendlicher Schmerz ergreift den Schweizer beim Klange des Kuhreigens, und[218] es war nicht selten, daß, wenn diese Melodie ertönte, die in Frankreichs Regimentern dienenden Schweizer haufenweise desertirten, so daß man diese Art Musik unter harter Strafe zu verbieten genöthigt war. Ost sah man Schweizer im Theater bei der Aufführung des Wilhelm Tell, wenn noch vor Aufgang des Vorhangs der Kuhreigen hinter der Scene ertönt, Thränen vergießen. Der Lappe, von seinem unwirthbaren, kalten, schneeigen Vaterlande getrennt, verkümmert in einer mildern Zone. Seltsam ist es, daß sich das Heimweh häufiger beim männlichen, als beim weiblichen Geschlechte äußert. Es mag daher kommen, weil der Mann mehr auf das Leben im Freien, das Weib mehr auf den häuslichen Kreis und seine Verrichtungen angewiesen ist. Von der Heimath gilt ja im engern Sinne, was Schiller vom Vaterlande spricht
An's Vaterland, an's theure, schließ dich an,
Das halte fest mit deinem ganzen Herzen!
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft.
Dort in der fremden Welt stehst du allein,
Ein schwankend Rohr, das jeder Sturm zerknickt.
4.