Herder, Johann Gottfried von

[254] Herder, Johann Gottfried von, Johann Gottfried von, der Sohn eines Schullehrers zu Mohrungen in Ostpreußen, am 25. Aug. 1744 geb., weihte sich von Kindheit auf mit beispiellosem Fleiße den Studien. In beschränkten Verhältnissen erzogen, hatte er ohne alle Anleitung die alten Sprachen erlernt, studirte in Königsberg unter Kant und Hamann, und ward Domprediger in Riga. Bald nachher trat er mit dem Prinzen von Oldenburg eine mehrjährige Reise an, fand darauf seine treffliche Lebensgefährtin (s. d.) und 1771 eine ehrenvolle Wirksamkeit in Bückeburg, von wo ihn Göthe's Empfehlung 1776 als Oberhofprediger nach Weimar abrief. Es gibt Niemand, mit dem er zu vergleichen wäre; seine Vielseitigkeit, mit der er einen seltenen Reichthum des Geistes und[254] eine glückliche, fast unglaubliche Fülle von Kenntnissen verband, ist wohl nie erreicht worden. Dichter und Aesthetiker, Philosoph und Kritiker, theoretlicher Theolog und unvergleichlicher Kanzelredner zugleich, verfolgte er in jedem dieser Fächer durchaus selbstständige Richtungen. Von der Natur offenbar zum Dichter geboren, konnte er seinen poetischen Charakter selbst in seiner Prosa nicht verläugnen. Der feierliche Ernst, die moralische Innigkeit seiner Gedanken zeigen am besten die Paramythien. Ueberaus glückliche Gedanken waren die Einführung der christlichen Legende, die Sammlung der Stimmen der Völker und die der Sprüche des persischen Dichters Sadi; den glänzendsten Beweis seines poetischen Talentes aber gab Herder im Cid. Als Aesthetiker verbreiten sich seine, namentlich in der Adrastea ausgesprochenen Urtheile gleich richtig und treffend über Poesie, Malerei, Plastik, Musik und alle Künste; als Philosophen sichern ihm die Ideen zur Geschichte der Philosophie der Menschheit den höchsten Ruhm der Unsterblichkeit. Durch seine Fragmente, seine Plastik, die kritischen Wälder, die zerstreuten Blätter und die vielen preisgekrönten philosophischen Abhandlungen hat Herder zur Verbreitung und edlern Behandlung der Wissenschaften unendlich Viel beigetragen; seine Predigten aber und die theologischen Schriften, vorzüglich die unschätzbaren Briefe über Humanität, athmen die erhabenste und reinste Frömmigkeit. Er starb den 18. Decbr. 1803.

T.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 254-255.
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