Lehrgedicht

[318] Lehrgedicht oder didaktisches Gedicht ist ein solches, das über irgend einen Gegenstand des Wissens oder der Kunst in poetischer Sprache belehrt wie z. B. Virgil's Gedicht »Ueber den Landbau,« Neubeck's »Gesundbrunnen,« Horaz's »Kunstepistel an die Pisonen.« Da indessen der Hauptzweck der Poesie nicht Belehrung ist, so kann man das didaktische Gedicht nur dann als Gedicht gelten lassen, wenn es sich durch poetische Behandlung zum Kunstprodukte macht. So wurde selbst über das Schachspiel ein Lehrgedicht geschrieben; aber – warum soll die Phantasie des Dichters nicht, selbst vom trockensten Berührungspunkte ausgehend, das Gemüth erheben und in das Land der Ideen hinübertragen können? Ist es denn nicht eben die Phantasie, die, wenn sie ihre Folie unterlegt, den Kiesel zum Diamanten, den Thautropfen zur opalisirenden Perle macht? Von dem wahren Dichter wird das Gedicht auch Dichtung sein.

Bl.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 318.
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