[491] Mailand. Diese glanzvolle, von den Italienern Milano la grande genannte Stadt, jetzt Hauptstadt des lombardischen Gouvernements unter Oestreichs Herrschaft, verdankt ihren Ursprung den Etruskern, hieß Mediolanum von einer daselbst vorkommenden, wolligen Ziegenart, und wurde später mit dem celtischen Namen May oder Mittelland bezeichnet, weil die Gegend zwischen der Adda und dem Ticino liegt. Mailand theilte das Schicksal des römischen Reichs. In den spätern Jahrhunderten glänzt es in der Reihe der mächtigen italischen Städte, während der Fehden zwischen den Guelfen und Gibellinen ward es von Friedrich I. erobert, 1162 auf seinen Befehl geschleift, hatte sich im nächsten Jahrhundert bereits wieder erholt und war im 14. Jahrhundert der Schauplatz des Kampfes[491] der della Torre und Visconti um die Alleinherrschaft. Im Jahre 1395 ernannte Kaiser Wenzel den Galeazzo Visconti zum Herzog von Mailand, dessen Nachkommen bis 1447 regierten, worauf Francesco Sforza, ein tapferer Condottieri, eine natürliche Tochter des letzten Visconti ehelichte und gegen Frankreichs Ansprüche Mailand als Herzog beherrschte. Im Jahre 1535 kam es an Spanien und 1706 an Oestreich, dem es die Franzosen 1796 entrissen, bis es 1814 an die ältern Herrscher zurückfiel. Verschwunden ist bis auf kaum erkennbare Ruinen die Spur des alten Glanzes; die heutige Stadt mit 150,000 Ew. gehört der neuern Geschichte an und die ältesten Gebäude sind Denkmäler des Christenthums, unter welchen der 1386 angefangene Dom sich auszeichnet und mit der Peterskirche wetteifert. Er trägt die Spuren des Geschmackes verschiedener Zeiten, ward im gothischen Stile begründet, von Pellegriño Tibaldi an der Vorderseite im antiken Geschmacke ausgeführt und Napoleon vollendete fast die Hälfte des fehlenden Baues mit ungeheuern Kosten. Das ganze Gebäude ist von weißem Marmor, mit 4000 Statuen geschmückt, und gewährt einen großartig herrlichen Anblick. In der Kirche Madonna delle Grazie ist das bekannte, jetzt fast verwischte Fresco-Gemälde des Leonardo da Vinci, das heilige Abendmahl. Die Paläste der Reichen, die herrlichen Villen in der schönen Umgegend zeugen von Glanz und Geschmack, und ihr Inneres ist reich an Werken der Malerei und Bildhauerkunst, edeln Steinen und bibliothekarischen Schätzen. Das Jesuitencollegium Prera ist prächtig und birgt nebst einer Sternwarte und mehreren Instituten für Kunst und Wissenschaft viele seltne Sammlungen, und einen gleichen Reichthum gewährt dem Forscher die ambrosianische Bibliothek. Das Theater della Scala, eines der größten in Europa, faßt 6000 Menschen, und es haben die Logen, Meubeln und die daran stoßenden Alkoven Ruhebetten. Man ißt, spielt, unterhält sich in den Logen, legt die Oberkleider, Halstücher ab, um nicht von der Hitze zu leiden, und zollt nur den bessern Stellen der [492] Oper oder des Stückes eine kurze Aufmerksamkeit. Prächtige Plätze, schöne Straßen, ein vorzügliches Pflaster mit Trottoirs erheben diese Stadt zu einer der schönsten, die Arena, welche 30,000 Menschen faßt, der Circus, der Triumphbogen del Sempione, durch den die Straße des Simplon führt, der prächtige Corso sind großartige Schöpfungen der Franzosenherrschaft. Die Umgebungen sind unendlich reizend, der Monte Brienza mit seinen hundert Landhäusern bietet überall herrliche Panoramen und der Lago maggiore mit seinen freundlichen Ufern und paradiesischen borromäischen Inseln läßt uns von den Gefilden der Seligen träumen. Hier wird der Marmor gebrochen, mit dem Kirchen und Paläste der Gegend gebaut wurden. Der Comer-See und der See di Lecco sind eben so himmlisch ausgestattet, und nur ein gefühlloses Herz wird diese Gegenden, ihre Schönheit und die Gebilde der Kunst, ungerührt betrachten können.
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