[89] Papst. Die römischen Bischöfe legten sich schon früh den Namen Papst bei (vom griechischen Worte Pappas, Vater). Als aber besonders seit dem 4. Jahrhundert unter den fünf christlichen Oberbischöfen die Bischöfe von Rom das höchste Ansehen und in kirchlichen und religiösen Streitigkeiten sogar die oberste, schiedsrichterliche Gewalt gewannen, führten sie diesen Titel ausschließlich. Bei der Erwerbung jener Gewalt wurden sie bedeutend durch die Ueberlieferung unterstützt, daß Rom der letzte Aufenthaltsort des Apostels Petrus gewesen sei, die Bischöfe von Rom also als die wahren Nachfolger Petri zu betrachten seien. Immer mehr befestiget aber wurde diese Obergewalt durch die seit dem 9. Jahrh. fast allgemein sich verbreitende Verwirrung und durch die geistige Ueberlegenheit mehrerer Päpste. Es ist zwar nicht zu läugnen, daß es viele unwürdige Päpste, besonders in den Jahrhunderten des Mittelalters, gegeben habe, aber dabei muß man durchaus auch anerkennen, daß von Seiten der Päpste die Beförderung der Wissenschaften und Künste, und namentlich für Ausbreitung des Christenthums Vieles geleistet worden ist. Die Erzählung von der Päpstin Johanna, welche, eine geborne Engländerin, in Mainz und Athen gebildet, durch Gelehrsamkeit und durch Verläugnung ihres[89] Geschlechts vom Notarius in Rom bis zum Papste sich empor geschwungen, aber nach 2½ Jahren durch eine öffentliche unvorhergesehene Niederkunft ihr Geschlecht verrathen habe, ist, nach neuern Forschungen, eine Fabel. Seit 4059, wo Nicolaus II. durch ein Gesetz die Papstwahl in die Hände der Kardinäle legte, erblicken wir meistentheils würdige Regenten auf dem päpstlichen Throne. Der geistvolle und energische Gregor VII. begründete die päpstliche Weltherrschaft. Die Stiftung der geistlichen Orden, die Einführung der Ehelosigkeit der Geistlichen, die Unwissenheit des Volkes befestigten die Macht der Päpste immer mehr. Sie setzten Regenten ein und ab, und Jedermann mußte den päpstlichen Bannstrahl fürchten, welcher oft über ungehorsame Regenten oder auch über ganze Länder ausgesprochen wurde. Die Aussprüche der Papste, als der Statthalter Christi, galten allmälig als untrüglich. Doch diese Macht sank auch wieder, besonders seit der Zeit, wo oft mehrere Gegenpäpste auftraten und der mitunter getriebene Aemterhandel den Völkern die Augen öffnete. In England und Böhmen erhoben sich laute Stimmen und durch die Reformation entzogen sich eine Menge Christen der päpstlichen Herrschaft. Auch die neuere Zeit hat der päpstlichen Obergewalt manche schmerzliche Wunde geschlagen.
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