[131] Tiber. Auf den Gebirgshöhen der Apenninen bei St. Albonigo in Toscana entspringt ein kleiner, schlammiger, nur für flache Küstenfahrzeuge schiffbarer Fluß, der nach einem trägen Laufe von etwa 36 M. bei dem Städtchen Ostia seine gelben Wogen in den glänzenden Schoos des tuskischen Meeres ergießt. Es ist dieß die weltberühmte Tiber der gesunkenen Roma. Jahrhunderte woben den heiligen Sais-Schleier der Klassicität über den glücklichen Fluß und der ganze Olymp römischer Götter ward ihm zum Hüter bestellt[131] Rechts und Links, zu beiden Seiten des »Götterstromes« ruhen im Frühlingsduft des italienischen Himmels jene »sieben Hügel,« die als stumme, unerschütterliche Coulissen des erhabensten Amphitheaters zur Aufführung des glänzendsten und blutigsten Weltdrama's, wie es nur je in der an solchem Stoffe überreichen Geschichte der Völker uns entgegentritt, Folie und Perspective verliehen. Die T. war es, welche alle Cäsaren sah der weltberühmten Roma, die Heerzüge der Barbaren, die Entwickelungen einer neuen Welt christlicher Herrschaft, die Wehen der ganzen europäischen Menschheit. Bei Borgo San Sepolcro betritt sie den Kirchenstaat, von Perugia ab trägt sie Flöße, bei Rom wird sie schiffbar. Hier beträgt ihre Breite bei mittlerem Wasserstande 360 F. Ihr Wasser ist stets trübe, kalkhaltig und schlammig, daher ungesund zum Trinken; ihre Ufer sind steil, ohne romantisch zu sein, dürr und steinig. Die bedeutendsten Nebenflüsse derselben sind die Chiana mit der Paglia auf der rechten, der Topia, die Nera und der Teverone auf der linken Seite.