Benediktiner-Orden

[60] Benediktiner-Orden. Sein Stifter ist Benedikt von Nursia im Neapolitanischen, 480–543, der Gründer es Klosters Montecassino bei Neapel; die Regel, die er den Mönchen dieses Klosters gab, bezweckte nicht die Gründung eines Ordens, denn der Mönchsstand galt noch als eigener, ungeteilter Stand, es handelte sich bloss um die besonderen Vorschriften, durch die das Leben der Mönche dieses oder jenes Landes oder Klosters geregelt werden sollte. Auch andere Klosterregeln, wie die des hl. Basilius, des hl. Columban, des Cäsarius von Arles, bewirkten keinen besonderen Orden. Die durch die irischen Mönche in Deutschland gestifteten Klöster hatten anfänglich die Regel des hl. Columban, deren harte Ascese und die häufige Anwendung der Prügelstrafe es allmählich dahin brachten, dass man im 7. und 8. Jahrh. mehr und mehr auf die Regel des hl. Benedikt griff; sie war milder, klarer gefasst und brauchbarer als jene. In St. Gallen nahm Othmar die Benediktinerregel auf Wunsch Pipins an, in Fulda führte sie Bonifaz ein; Karls d. Gr. Synoden verpflichteten die Mönche darauf. Eine deutsche Interlinearversion der aus 73 Kapiteln bestehenden Regel, die aus dem 8. Jahrh. stammt und einem nicht nachweisbaren Mönche Kero zugeschrieben wurde, ist bei Hattemer, St. Gallische Sprachdenkmäler, I, 15 ff., abgedruckt, eine mitteldeutsche Uebersetzung des 13. Jahrh. in der Zschr. f. deutsches Altert., Bd. XVI, S. 224 bis 279. Nach der Regel des hl. Benedikt steht an der Spitze der Anstalt der Abt mit monarchischer Gewalt, dem gegenüber die Kongregation und die ältern Brüder bloss beratende Stimme haben. Die Abtswahl gehört in der Regel den Mönchen und ist ihnen durch besondere Privilegien gesichert. Die nächsten Beamten nach dem Abt sind Propst und Dechant, beide durch den Abt absetzbar: der Propst, Vertreter des Abtes, hat die Ökonomie, der Dechant die Disziplin unter sich. Ihre Wahl geht von den Mönchen aus. Unter dem Propst steht der cellarius,[60] Kellermeister. Die Wache am Thor hat der Pförtner. Die Zahl der Mönche ist unbestimmt. Dienende Brüder giebt es nicht, die Mönche sind zu allen Dienstleistungen verpflichtet; das Kloster soll deshalb möglichst alle Lebensbedürfnisse umschliessen. Vgl. den Bauriss des Klosters St. Gallen vom Jahre 820, herausgegeben von F. Keller, Zürich 1844. Die Besorgung der Küche wechselt wöchentlich unter den Mönchen. Handwerk und Ackerbau liegt den Mönchen ob. Privatbesitz ist verboten, alles ist allen gemein, und der Abt teilt jedem nach Bedürfnis zu. Als Kleidung ist vorgeschrieben Kutte cuculla, Hemd tunica, Überwurf scapulare. Als Speise gestattet die Regel zwei Schüsseln Gemüse, Obst, junge Gewächse, Brot; Fleisch nur für Kranke und Schwache; Wein gehört eigentlich für Mönche nicht, doch werden die Mönche, sagt die Regel, sich denselben nicht wohl nehmen lassen, deshalb ist täglich eine Mass (hemina) erlaubt. Allmählich gestattete man sich mehr Bedürfnisse, zumal an besonderen Tagen, bei Besuch. Der Aufnahme ins Kloster geht eine jährliche Prüfungszeit voran. Oblati sind Kinder, die von den Eltern früh dem Klosterleben übergeben werden, ihre Zahl war gross, und ihr Unterricht gab die erste Veranlassung zu den Klosterschulen. Reclusi heissen solche, die sich besonderer Ascese wegen in ein Gemach einschliessen Hessen. Die Regel Benedikts nimmt auf Frauenklöster keine Rücksicht, doch wurden auch die ebenfalls schon lange bestehenden Nonnenklöster derselben Regel unterstellt; immerhin sind die Frauenklöster minder selbständig und mehr vom Bischof abhängig. Die Benediktinerklöster des 8., 9. und 10. Jahrhunderts sind die Hauptträger der Bildung im fränkischen Reiche; was die Zeit an Erziehung, Wissenschaft, Dichtung, bildender Kunst, Musik und Geschichtschreibung hervorbrachte, ist meist ihr Werk. Fulda, St. Gallen, Corwey, Reichenau und zahlreiche andere Klöster sind Zentralpunkte des geistigen Lebens. Man findet sie u.a. zusammengestellt und beschrieben in den Kirchengeschichten von Rettberg und Friedrich und in Deutschlands Geschichtsquellen von Wattenbach. Im 10. Jahrh. fingen sie an zu verweltlichen; der durch Karl d. Gr. hervorgerufene Bildungseifer ermattete; die Ausbildung des Lehnstaates, der Reichtum an Land und Leuten, der sich in ihnen angehäuft hatte, schob die Interessen der Bildung und Erziehung, der Religion und Wissenschaft in den Hintergrund, und Interessen weltlicher Art traten vor. Die Klöster standen meist auf des Kaisers Seite; der Zusammenhang mit Rom hatte sich gelockert. Dagegen trat nun eine Reaktion ein; der päpstliche Stuhl suchte in seinem Sinne zu reformieren, die Klöster zu Kongregationen unter einer Zentralregierung zu sammeln, das specifisch religiöse Leben zu heben, die Klosterregeln zu schärfen. Der Hauptsitz dieser Bestrebungen wurde das Kloster Clugny, Cluniacum, in Burgund, von Herzog Wilhelm von Aquitanien 910 gestiftet und zuerst von Berno, dann von Odo 927–941 geleitet. Diese reformierten Benediktiner- oder Cluniacenser-Klöster waren von aller bischöflichen Gewalt befreit, einzig dem Stuhl zu Rom untergeben; der gesammte Orden stand unter dem Abt von Clugny, dem Archiabbas des Archimonasterii, strenge klösterliche Ascese trat an die Stelle freier humaner Bildung im Sinne der Karolingischen Zeit. Die deutschen Könige selber waren übrigens der Reform nicht durchaus abgeneigt; unter den Klöstern aber trat jetzt eine Spaltung in reformierte und nichtreformierte ein. Die der Reformation widerstanden, verweltlichten in der höfischen Periode in hohem [61] Masse, kirchliches Leben, Schule und Wissenschaft hörte auf, und die Äbte beteiligten sich als Reichsfürsten hauptsächlich an den Reichshändeln. Ein besonders belehrendes Beispiel für das Verhältnis der Cluniacenser und der alten Benediktiner bieten die St. Gallischen Kasus Ekkeharts IV.; Konrad II. hatte dem Kloster 1034 einen Cluniacenser Abt aus Lothringen aufgedrungen, gegen dessen Reformbestrebungen die ältern Mönche eiferten und murrten; zum Beweise aber, wie tüchtige, vortreffliche Blüten das Kloster unter der freiern Regel hervorgebracht hatte, schrieb Ekkehart IV. seine Kasus, in denen er das Klosterleben St. Gallens so plastisch dargestellt hat. Siehe die Einleitungen zu der lateinischen und deutschen Ausgabe Ekkeharts von G. Meyer von Knonau. Die Cluniacenser Reform fand ihre Hauptstütze, was Deutschland anbelangt, in den Klöstern des Schwarzwaldes, und hier besonders in Hirschau, von wo aus sich die strenge Regel nach allen Seiten verbreitete; alte Klöster wurden reformiert, neue gegründet. Hirschauer Mönche kamen nach Reichenbach und St. Georgen im Schwarzwald, nach Schaffhausen, Petershausen, Pfäfers, Fischingen, Weilheim, Zwifalten, Blaubeuren, Isny, Wiblingen, Ochsenhausen, Komburg in Franken, Fischbachau und Scheiern, Prüfening und Ensdorf in Bayern, nach dem Petersberg bei Erfurt, Reinhardsbrunn, Goseck, Hasungen und Magdeburg, nach Admont in Steiermark, St. Paul in Kärnthen. Otto von Bamberg führte in allen seinen Klöstern die Hirschauer Regel ein. Derselben Richtung gehörte St. Blasien im Schwarzwald an. Hier wurde Hartmann, früher Probst von St. Nicola bei Passau, des Gegenkönigs Rudolf Kaplan, Mönch und Prior; dann aber 1094 Abt von Götweih, wohin er eine Kolonie aus St. Blasien führte, und bald wurden ihm auch St. Lambert in Steiermark, Kempten, St. Ulrich und Afra in Augsburg anvertraut. Nach Kremsmünster kamen Mönche aus Gottesau, einer Hirschauer Kolonie im Sprengel von Speier. Bischof Burchard von Basel aber unterwarf 1105, eingedenk der alten Freundschaft und innigen Verbindung, das von ihm gestiftete Kloster St. Alban bei Basel unmittelbar dem Abte von Clugny. S. Wattenbach, Geschichtsquellen II, § 6. In die gleiche Periode mit der Cluniacenser Reform fällt die Gründung selbständiger Orden, welche die neue römische Ascese in noch engere Formen bannten, z.B. die Orden von Vallombrosa, Chartreux, der Wilhelmiten, Cistercienser. Siehe die besonderen Artikel. Noch geringer wurde die Bedeutung des Benediktinerordens, als im 13. Jahrh. die Bettelorden aufkamen. Seit dem 14. Jahrh. bemühten sich verschiedene Synoden um die Reform des Ordens, namentlich hob das Konstanzer Konzil die alte Sitte auf, nur adelige Novizen aufzunehmen. Eine bleibende Reform brachte in Deutschland erst die Richtung der Bursfelder Kongregation oder Union zu stande. Es war dies ein Verein von 75 Benediktinerklöstern in Norddeutschland, der aber auch in Süddeutschland weitreichenden Einfluss besass; seine Stifter waren Johann von Hagen, 1439–1469 Abt des Klosters Bursfelde bei Göttingen, und Joh. Busch. Das Basler Konzil bestätigte 1440 diese Organisation, die für das sittliche und wissenschaftliche Leben des Ordens sehr segensreich war. Später erwarb sich die Kongegration von St. Maurus, 1618 durch Lorenz Bernhard, Mönch zu St. Vannes, gestiftet, unsterbliche Verdienste durch reiche wissenschaftliche Forschung; ihr Hauptkloster war St. Germain des Prés bei Paris.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 60-62.
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