Cistercienser-Orden

[109] Cistercienser-Orden. Sein Stifter ist Robert, aus der Champagne, ein eifriger Cluniacenser Mönch. Nach mehreren vergeblichen Bemühungen, einige aus der klösterlichen Zucht gefallene Benediktinerklöster im Sinne einer strengen Ascese zu reformieren, und nachdem ihm die Ordnung der Einsiedler im Wald von Molesmes ebenfalls misslungen war, stiftete er in einer Einöde bei Citeaux unfern Dijon 1098 mit Unterstützung des Grafen Odo das Kloster Citeaux unter der strengsten Beobachtung der Regel des heil. Benedikt. Zwar wurde er durch päpstlichen Befehl gezwungen, nach Molesmes zurückzukehren, wo er auch im J. 1108 starb; aber seinen Nachfolgern in Citeaux, Alberich und dem Engländer Stephan Harding, gelang es, die Zustimmung Paschalis II. zu einem neuen Ordensstatut zu erhalten. In rechte Aufnahme kam das Kloster durch den Eintritt des 15jährigen Grafen Bernhard von Châtillon mit 30 Gefährten. Die Zahl der Mönche wurde so gross, dass man neue Kolonien auszusenden sich genötigt sah; in waldigen Einöden wurde La Ferté (Firmitas), Pontigny (Pontis nidus), Clairveaux (Clara vallis) und Morimond (Mors mundi) gestiftet. Clairveaux kam unter Bernhards Leitung. Von den genannten fünf Klöstern sind alle anderen abgeleitet; die Kolonisation und eine bedingte Abhängigkeit der Töchter vom Mutterkloster wurde System. Sobald die Zahl der Mönche es erforderte[109] oder gestattete, ernannte der Abt womöglich dreizehn Brüder, unter ihnen das erwählte Oberhaupt des zukünftigen Klosters, welche dann mit festgestellter Förmlichkeit ihre bisherige Heimat verliessen, um an neuer Stelle die Beschwerden der Gründung zu übernehmen. Alle diese Klöster wurden in Einöden, gewöhnlich in Thälern angelegt. Sie fingen mit den rauhesten Arbeiten an und mussten öfter verlegt werden. Der Name wurde frei und bedeutungsvoll gewählt, Clara vallis, Aqua bella, Portus S. Mariae. Das Prinzip des Ordens, die Neugründungen in Einöden anzulegen, führte zu landwirtschaftlicher Thätigkeit in umfassendem Sinne. Sobald sich das Gebiet durch Rodungen und Schenkungen ausgedehnt hatte, legte man Maierhöfe, grangiae, an, auf welchen die Wirtschaft durch Mönche untergeordneten Ranges betrieben wurde; das ist die Entstehung der bei den alten Benediktinern noch unbekannten Laienbrüder wie sie schon die Cluniacenser eingeführt hatten; sie heissen conversi, gegenüber den professi. Die conversi auf dem Hofe standen unter Leitung eines professus. Die Lebensweise war strenge: grobe Gemüse, hartes Brot, ein Strohsack; Fleisch, Eier, Fisch, Milch und Wein waren verpönt.

Die Leitung der Cistercienser Klöster hält die Mitte zwischen dem republikanischen Wesen der alten Benediktiner und der strengen Konzentration der Cluniacenser. Zwar blieb Citeaux der Mittelpunkt, sein Abt hielt die Generalkapitel des Ordens ab. Aber jedes Kloster hatte seinen eigenen Abt, und jedes Mutterkloster führte die Aufsicht über alle von ihm ausgegangenen Klöster. In der innern Verwaltung und der Wahl des Abtes waren die einzelnen Klöster selbständig, unterlagen aber jährlich einer Visitation. Wie die Cluniacenser sind auch die Cistercienser von der bischöflichen Gewalt eximiert und stehen direkt unter dem päpstlichen Stuhle. In Frankreich nannte man den Orden Bernhardiner-Orden, Im Jahre 1151 gab es 500, in der Mitte des 13. Jahrhunderts 1800 Cistercienser Klöster, die meisten vor 1200 gestiftet. Ihre Strenge hielt aber nicht lange an, und gegen Ende des Jahrhunderts wurde allgemein über die Verweltlichung auch dieses Ordens Klage geführt. Das Ordenskleid ist im Gegensatz zu der schwarzen Tracht der alten Benediktiner weiss mit grauem Skapulier.

Die Gründung und Entwickelung des Cistercienser-Ordens bildet ein hervorragendes Glied in der Kette der Erscheinungen, welche im 10. und 11. Jahrh. das einseitig-kirchliche Leben des Mittelalters zur Zeitigung bringen. Der ältere Benediktiner-Orden hatte sich würdig und verständig an der Befestigung der christlichen Lehre und Zucht beteiligt, war jedoch stets im engen Zusammenhang mit den weltlichen Gewalten und Bedürfnissen geblieben. Staatlich war bei den königlichen Klöstern aus dem Vorsteher des Klosters ein Fürst des Reiches geworden, und jemehr die Zeitverhältnisse die weltliche Bestimmung der Klosterstiftungen hervorhoben, desto mehr erlahmte der kirchliche Charakter, in Frankreich mehr als in Deutschland. Diesem Charakter wieder zu seinem Rechte zu verhelfen und die Wurzel der Weltlichkeit auszuziehen, entstanden im 10. und 11. Jahrhundert die reformierten Orden der Cluniacenser, Grammontaner, Kartäuser und Cistercienser, deren einflussreichste die Cluniacenser und Cistercienser sind. Während jedoch die älteren Cluniacenser neben ihrer strengen Kirchlichkeit doch die Berührung mit der weltlichen Gesellschaft nicht flohen, ihre Stiftungen in oder bei den Städten anlegten, den Betrieb[110] der Wissenschaften und Künste erneuerten, ergaben sich die Cistercienser einem ausgesucht strengen Ascetentum, stellten eine hochgesteigerte Idee von Mönchsheiligkeit auf, wählten für ihre Stiftungen mit Vorliebe öde Örter, stellten sich in schroffen, feindlichen Gegensatz zur Scholastik, zur Kunst, zur freiern Forschung. An den Albigenserkriegen hat der Orden hervorragen-Anteil genommen.

Auch das scheint für den Orden der Cistercienser charakteristisch, dass er sich so überaus schnell entwickelte, er repräsentiert mehr eine schnell erscheinende Stimmung des Gemütes als ein dauerndes erzieherisches Prinzip.

Der Orden der Cistercienser hat auch auf die Entwickelung der Architektur Einfluss gehabt; sein Geist führte auf das Prinzip möglichster Einfachheit. Das Geläute durfte nur von einer Glocke ausgehen, gewöhnlich brachte man deshalb auf ihren Kirchen bloss einen Dachreiter, ein kleines Türmchen, auf der Vierung des Kreuzes an. Gold, Silber und Seide waren nur für gewisse Gegenstände gestattet, Skulpturen und Malerei zu üben den Brüdern verboten; Niedrigkeit, Ärmlichkeit der Klöster galt ihnen als ein Lob. Dennoch waren besonders infolge der zum Prinzip erhobenen Gastfreiheit des Ordens geräumige Kirchen und anderweitige grosse Räume notwendig, und die Baumeister des Ordens kamen deshalb dem neuaufkommenden gotischen Style umsolieber entgegen, als dieser gegenüber dem romanischen Stil mit seiner Anhäufung von müssigem, oft schwer verständlichem Bildwerk, Verschwendung von edeln Metallen und kostbaren Stoffen, ernster und keuscher auftrat. Doch übten die Cistercienser in Frankreich keinen erheblichen Einfluss auf die Architektur aus, sie gaben nur ihrer klösterlichen Strenge gemäss die vereinfachten Formen. Dagegen brachten sie in Deutschland neue und praktisch nützliche Formen mit, welche sich zur Annahme empfahlen. Sie bauten überall gewölbte Kirchen, machten daher die bisher nur selten angewandte Wölbung populär und lehrten sie mit Hilfe des Spitzbogens und anstrebender Pfeiler zu sichern. Sie waren gleichsam Missionäre der französischen Architektur. Doch übten sie den französischen Stil mit Vereinfachungen und Änderungen, welche den einheimischen Sitten und Ansichten zusagten. Statt der Säule zogen sie den Pfeiler vor, sie verwarfen die Galerien über den Seitenschiffen, ihre Einfachheit der wesentlichen Formen erzeugte die Neigung zu sorgfältiger und anmutiger Ausbildung der Details.

Deutschland stand vorzugsweise in Verbindung mit Morimond, dessen erster Abt Arnold ein Deutscher und Bruder des Erzbischofs Friedrich I. von Köln war; er gründete das erste deutsche Cistercienser Kloster Campen (Alt-Camp) bei Köln. Auch Otto von Freisingen, der Geschichtschreiber, Oheim Barbarossas, war Mönch zu Morimond. Ausser Campen sind Altenberge, St. Georgberg (Georgenthal) in Thüringen, Lutzell im Elsass, Ebrach in Franken Morimondische Kolonien; ihre Zahl wuchs später auf 117; nur zwölf deutsche Cistercienser Klöster stammen von Clairveaux. Dem Cistercienser-Orden gehören u.a. an: Heilsbronn, Eberbach, Loccum, Marienthal, Riddagshausen, Salem, Heisterbach, Pforta, Doberan, Maulbronn, Bebenhausen.

Eine genügende Untersuchung über den Orden mangelt; vgl. Fink in Ersch u. Gruber, Art. Cistercienser. – Schnaases Kunstgesch. V, 8, Kap. 6. – Rahn, Bildende Künste, 346 ff. – Derselbe in den Mitteil, der antiquarischen Gesellschaft zu Zürich, Band XVIII. Heft 2. – R. Dohme, die Kirchen d. Cistercienser-Ordens[111] in Deutschland während des Mittelalters. Leipzig 1869. – Winter, die Cistercienser des nordöstl. Deutschlands. 1868–71. 3 Bde. – Janauschek, Origines Cisterciensium. 1877. Band 1.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 109-112.
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