[125] Drama. Das Drama entsteht teils aus dem mimischen Spiel einer oder mehrerer Personen, teils aus dem Wechselgespräch, beides im Anfang nicht notwendig vereinigt. Mimische Spiele, Aufzüge, Mummereien sind ohne Zweifel schon in vorchristlicher Zeit vorhanden gewesen und erhalten sich das ganze Mittelalter hindurch, in einzelnen Formen bis heute; sie heissen im Mittelalter kapfspil, schowspil, die Räumlichkeit, in der sie begangen werden, spilhof spilhûs, schimpfhûs, (schimpfen = Spass treiben). Auch Puppenspiele werden schon im 12. Jahrh. erwähnt. Besonders beliebt und verbreitet war das Frühlingsspiel, das den Kampf des Winters und des Sommers darstellte. »Am Rosensonntag«, erzählt Sebastian Franck, »hat man an etlichen Orten in Franken im April den Brauch, dass die Buben an langen Ruten Bretzeln herumb tragen in der Stadt, und zween angethane Mann, einer in Singrün oder Epheu; der heisst der Summer, der ander mit Gmöss (Moos) angelegt, der heisst der Winter, diese streiten miteinander, da liegt der Summer ob und erschlecht den Winter, darnach geht man darauf zum Wein.« Wurde dieser Streit zwischen Sommer und Winter in Worte gekleidet und sodann auf andere Gegenstände übertragen, auf Herbst und Mai, Buchsbaum und Felbinger, Ritter und Pfaff, Barmherzigkeit und Wahrheit, so erhielt man eine zweite Quelle des Dramas, die sich zugleich an lateinische Vorbilder anschliessen konnte. Die Gesprächspiele gehen,[125] auch nachdem sich das eigentliche Schauspiel schon lange auf eigene Füsse gestellt hat, ihren selbständigen Gang weiter; aus dem 15. Jahrh. kennt man die Streitgedichte Wolf und Pfaffe, Priester und Weib, Christ und Jude, Ritter und Bauer, Frau und Jungfrau, Krieg zweier Frauen, ob Lieben oder Nicht-Lieben besser sei, Herz und Mund, Minne und Welt, Schande und Ehre (Wackernagel, Lit. G. § 84.). Bei Hans Sachs heissen sie Kampfgespräche, z.B. zwischen Kühnheit und Geduld, zwischen Zorn und Sanftmut, Hoffahrt und Demut, Armut und Reichtum, Jugend und Alter, Tochter und Mutter, Krankheit und Gesundheit. Ein solches Streitgedicht, zugleich aber ein Rätselstreit (s. Art. Rätsel) ist der Sängerkrieg auf der Wartburg, entstanden ums Jahr 1300. Siehe diesen Artikel.
Das eigentliche Drama findet seinen Anfang erst in den kirchlichen Schauspielen; denn die noch älteren lateinisch geschriebenen Dramen, darunter 6 Stücke der Nonne Hroswith oder Roswitha, Hrotsvitha von Gandersheim, vor 984, welche die unzüchtigen Stücke des Terenz durch christliche Spiele zu ersetzen trachtete, sind gänzlich ohne Nachwirkung geblieben. Die kirchlichen Dramen, die vom 12. Jahrh. an beginnen, heissen in Deutschland ludi, in Frankreich misteria, altfranz. mistere, von ministerium, kirchliche Handlung, auch mysteria geschrieben, doch ohne Zusammenhang mit mysterium = Geheimnis. Sie waren dazu bestimmt, die kirchlichen Feste, vornehmlich die Passion und die Ostern zu verherrlichen. Spieler waren die Geistlichen, der Ort der Aufführung die Kirche, die Sprache lateinisch; sie entwickelten sich aus den Festliturgien. Das bedeutendste dieser Stücke ist der Ludus paschalis de adventu et interitu Antichristi; andere heissen Ludus in resurrectione Domini; deutsche Stellen wurden vorläufig nur spärlich eingefügt, so der Osterleis »Krist ist erstanden«, oder einzelne Lieder, die man besonders gern der Maria Magdalena, einer Lieblingsfigur der Osterspiele, in den Mund legte.
Im 14. Jahrh. kommen solche geistliche Spiele, wie sie von da an heissen, in deutscher Sprache vor und gehen von den Klerikern auf die Laien über. Weltliche Motive, Auflehnung gegen die Geistlichkeit, Hass gegen das Judentum, teils durch den gewinnsüchtigen Judas, teils durch den Spezerei verkaufenden Krämer vertreten, traten in komischer Auffassung unmittelbar neben das Tragische. Anfangs spielen noch die Kleriker, dann diese mit den Schülern, dann die Schüler allein, endlich nur Laien. Zwar band sich die Aufführung immer noch an die Kirchenfeste, aber der Ort der Aufführung wurde der Markt oder sonst ein freier Platz, wo eine künstliche Bühne errichtet war. Die Frauenrollen wurden von Männern gespielt. Der Umfang des in das Spiel eingeschalteten Gesanges sowohl einzelner Personen als ganzer Chöre ist verschieden; selbst Tanz wurde zugelassen. Doch überwog das Gespräch, nach dem Geschmacke der Zeit in Reimpaaren verfasst, das gelegentlich auf der Bühne nur gelesen wurde. Es war sehr breit ausgesponnen, wie auch die Zahl der mithandelnden Personen bis auf mehrere Hundert steigt. Manche Stücke waren so breit, dass ihre Aufführung sieben Tage in Anspruch nahm. Dem Inhalt nach sind es in erster Linie Passions- und Osterspiele rückwärts und vorwärts verkürzt oder verlängert, so dass unter Umständen mit der Geburt Christi begonnen und mit der Höllenfahrt und der Himmelfahrt geschlossen wird. Da diese Spiele ähnlich dem Epos aus einem gemeinsamen Kern hervorgehen, fehlen überall Verfassernamen. Nächst der Passions- und[126] Osterzeit wurden auch die Weihnacht, Mariä Verkündigung, Lichtmess, Himmelfahrt, das Fronleichnamsfest mit Spielen gefeiert. Schon bei den zuletzt genannten musste eine passende Handlung erst gefunden werden; ganz selbständige Spiele sind sodann Totentänze (siehe diesen Art.), das Spiel von den klugen und den thörichten Jungfrauen, das von der keuschen Susanna, von der heiligen Dorothea, von Theophilus; im Spiel von Frau Jutten hat der Geistliche Theoderich Schernberg um 1480 die Geschichte von der Päpstin Johanna behandelt. Wilken, Geschichte der geistlichen Spiele in Deutschland. 1871.
Noch mehr als die Osterspiele schliessen sich die Fastnachtspiele an vorchristliche Überlieferungen und Gebräuche an. Anfänglich blosse Gelegenheitsmummerei, Strassen- und Kirchenlauf, oft, wie die geistlichen Spiele, in Form eines gerichtlichen Prozesses, werden sie im 15. Jahrh. litterarisch ausgebildet, und zwar zu Nürnberg durch Hans Rosenblüt, den Schnepperer, und durch Hans Folz. Sie wurden nicht öffentlich und im Freien, sondern von umherziehenden munteren Gesellen in den Räumen befreundeter Häuser aufgeführt. Bald sind ihrer bloss ein Paar, bald mehr, bis 12 oder 14, die in leichter Vermummung fremdartige Gestalten darstellen, wilde Männer, Bauern, Bettelvolk, allegorische Figuren. Den Stoff der Handlung bieten Szenen des täglichen Lebens, beim Kauf auf dem Markte, vor Gericht, Ehezwiste, Zank des Gesindes. »Mit einer Erfindungskraft von staunenswerter Ausgiebigkeit wurden die Verhältnisse des Geschlechtes zum Gegenstande des schamlosesten, im Schmutze seligen Witzes gemacht und in immer neuen Wendungen enthüllt und verhöhnt. Die brutale Roheit der Sitten hat in diesen Spielen den höchsten Grad erreicht; jeder Sprechende ein Schwein, jeder Spruch eine Roheit, jeder Witz eine Unfläterei.« Goedeke, I, § 93. Ausser Nürnberg haben Bamberg und Augsburg an der Entstehung dieser Spiele einigen Anteil.
Gegen das Ende des 15. Jahrh. treten in der Geschichte des deutschen Schauspiels von mehreren Seiten her neue Regungen und Bewegungen auf.
In den Kreisen der Humanisten wurden die Dramen des Plautus und Terenz, später auch griechische des Aristophanes von den Schülern aufgeführt und in Nachahmung antiker Muster zahlreiche Neudichtungen versucht; dahin gehören lateinische Schauspiele von Wimpfeling, Reuchlin, Jak. Locher, Conrad Celtes, Christoph Hegendorf, Thomas Naogeorgus (Kirchmair) von Straubing, Georg Macropedius, Nicodemus Frischlin u.a. Goedeke, § 113.
Schon vor der Reformation fing man an, neben Plautus und Terenz auch solche neuere Dramen zu übersetzen, natürlich im Gewande und Verse der Zeit. Albrecht von Eibe, Domherr zu Bamberg, gest. 1485, übersetzte die Menaechmi und Bacchides des Plautus, Hans Nythart von Ulm 1486 den Eunuchen des Terenz, 1499 ein Ungenannter den ganzen Terenz, erschienen zu Strassburg. Von neulateinischen Stücken wurde der Henno des Reuchlin, der Acolastus (verlorene Sohn) des Gnaphaeus und manche Stücke des Naogeorgus übersetzt und aufgeführt, Hans Sachs bearbeitete den Plautus des Aristophanes nach einer lateinischen Bearbeitung (der griechische Text war zu Zürich im Jahr 1531 unter Zwinglis Leitung aufgeführt worden), von Terenz den Eunuchen und die Menächmen, von Macropedius den Hekastus.
Im Anschlüsse an solche fremde Stücke und zugleich durch das wachsende städtische Volksleben, in Deutschland durch Luthers Teilnahme gefördert, entstand im Beginn[127] des 16. Jahrhunderts ein ausgebildetes Schauspiel. Das schweizerische, das am Rhein herab wirksam blieb, ging mehr vom Volke, das mittel- und norddeutsche mehr von der Geistlichkeit und der Schule aus. In der Schweiz ist Bern repräsentiert durch Niklaus Manuel und Hans von Rüte, Basel durch Gengenbach, Sixt Birck, Joh. Kohlros, Valentin Boltz, Zürich durch Jakob Ruof, Biel durch Jak. Funckelin. In Sachsen und Hessen wirken Joachim Graff und Paul Rebhun, beide von Zwickau; in Augsburg Sebastian Wild, in Nürnberg ausser Hans Sachs Leonhard Culman; überhaupt ist diese Dichtung dem Leben der Zeit gemäss durchaus lokalisiert, und es sind nur sehr wenige, darunter in erster Linie Hans Sachs, welche über die Mauern ihrer Vaterstadt hinaus wirksam zu werden vermochten.
Was die Stoffe anbelangt, so sind es mit Vorliebe biblische, mehr aus dem alten als dem neuen Testament: Adam und Eva, Abraham und Opferung Isaaks, Isaak und Rebekka, Jakob, Joseph, Hiob, das goldene Kalb, Josua, David und Goliath, David und Salomo, Absalom, Judith, Tobias, beide letztgenannten durch Luther empfohlen, Belagerung Babylons, am häufigsten Susanna im Bade. Aus dem neuen Testament: Weihnachtsspiele, Johannes der Täufer, Hochzeit zu Cana, das jüngste Gericht, am seltensten die Passionsgeschichte; dramatisierte Parabeln vom Weingarten des Herrn, vom verlorenen Sohn (Acolastus), vom reichen Mann und armen Lazarus.
Zwar diente, wie überhaupt die ganze Litteratur dieser Periode, so auch das Spiel der Lehre, auch wo biblische oder profane Geschichte dargestellt war; es giebt aber solche Stücke, die von vornherein lehrhaften Stoff im engern Sinne besonders satirisch behandeln; dahin gehören die Gauchmatt, die zehn Alter und der Nollhard von Gengenbach, die fünf Betrachtungen zur Busse von Kolros, Wohl- und Übelstand der Eidgenossenschaft von Jakob Ruof, der Welt Spiegel von Boltz, die Narrenschule von Herport.
Am liebsten aber bewegte sich Lehre und Satire auf dem Gebiete der Reformationsstreitigkeiten. Dahin zählt das von W. Farel in französischer Sprache erdichtete und öfter deutsch übersetzte Spiel im königlichen Saale zu Paris, die Fastnachtspiele des Niklaus Manuel: Vom Papst und seiner Priesterschaft, Ablasskrämer, Barbali, Elsli Tragdenknaben (ältere Ausgabe von Grüneisen, neuere von Bächtold, Niklaus Manuel, Frauenfeld, 1878); andere Stücke der Art sind: Johannes Huss, 1537; der neue deutsche Bileamsesel von Cammerlander, um 1542.
Zu weltlichen Stoffen des Romans, der Geschichte und der Sage griff man im allgemeinen seltener, Hans Sachs ausgenommen, der überhaupt den Kreis des zeitgenössischen Stoffes weit überschreitet; er hat in seinen 208 dramatischen Stücken Stoffe aus Boccaccios Decameron und den Büchern der durchläuchtigen Frauen dramatisch bearbeitet, aus Sebastian Francks Weltbuch, Albert Krantz' Chronik von Dänemark, aus Homer, Herodot, Plutarch, Xenophon, Ovid, Sueton, Livius; dem deutschen Heldenbuche entnahm er einen Hörnen Seifried, wobei freilich zu bedenken, dass dieser Dichter seine Stoffe, wo immer er sie fand, sowohl für lyrische als epische als dramatische Dichtungen verwendete. Von anderen Dichtern hat man aus dieser Zeit die Historia Magelonae, Octavianus und die sieben weisen Meister, Wilhelm Teil, Frau Wendelgart Lucretia, Damon und Pythias, Zerstörung von Troja.
Von den antiken Stücken hatte man nunmehr auch die Unterscheidungsnamen Tragödie und Komödie kennen lernen, ohne dass man irgendwie[128] über das innere Wesen derselben Aufschluss erhalten hätte; Hans Sachs nennt diejenigen Stücke, in denen ein Krieg vorkommt, Tragödie, die andern Komödie; gern benutzte man deshalb zur Aushilfe Tragikomödie, oder man behielt das alte Wort Spiel bei. Das geistliche Spiel im engern Sinne wurde in protestantischen Gegenden natürlich nicht weiter geübt, auch das einfachere Fastnachtspiel ist, aber veredelt, nur von Hans Sachs und Jakob Ayrer fortgeführt. Den antiken Mustern entnahm man auch die Einteilung in Akte und Szenen, ebenfalls ohne tiefere Einsicht.
Wie im älteren geistlichen Spiel liebte man es jetzt noch Musikstücke einzuflechten, seis am Anfang oder Ende, seis sonst an passenden Orten. Einzelne gelehrte Dichter machten den Versuch, antike Vers- und Strophenmessung, andere welsche Rhythmen nachzuahmen, besonders Paul Rebhuhn. Zur Belebung des immer noch sehr gebundenen Seelenlebens der handelnden Personen wurde etwa die Mundart verwendet. Die Aufführung der Stücke durch die jüngere Bürgerschaft geschah unter Aufsicht und Unterstützung der Obrigkeit, bei einfachster Bühnenzurüstung und Maschinerie, dagegen mitunter kostbarer Kostümierung, die stets der gegenwärtigen Tracht entnommen wurde. Mitten in die ernste Handlung wurden ohne Anstand komische Szenen eingeschoben, besonders an Ärzte, Juden, den Teufel und den Narren sich anschliessend. Mancherorts spielten die Meistersinger, z.B. in Augsburg, oder Liebhabergesellschaften.
Der frische Aufschwung der Volksspiele durch die Reformationsbewegung erlahmte bald in der allgemeinen Erlahmung des geistigen Lebens; einzig Hans Sachs hielt solange er lebte und noch längere Zeit nachher, durch den Einfluss seiner Schriften die Erinnerung an frühere Jahrzehnte aufrecht. Sonst trat das Schauspiel mehr und mehr in den Dienst der Schule, besonders seitdem die Jesuiten diese Gattung für ihre Anstalten nach ihrem Geiste ausbildeten und protestantische Anstalten mit ihnen in protestantischem Geiste wetteiferten; der Hauptsitz dieser letztern Thätigkeit war Strassburg.
Nur Nürnberg hatte in Jakob Ayrer, gest. 1605, eine Art Nachfolger von Hans Sachs, der sogar noch Fastnachtspiele schrieb, doch kommt er seinem Vorgänger weder an Form noch Gehalt nahe. Dagegen ist seine Thätigkeit dadurch interessant, dass sich in einigen seiner Stücke zuerst der Einfluss der englischen Komödianten zeigt. Schon während der Jahre 155684 wurden englische Musiker, Fiedler, Trompeter und Pfeifer am markgräflichen Hofe in Preussen gehalten. Später findet man ähnliche Truppen an anderen Höfen, die zugleich Musiker, Schauspieler, Seiltänzer u. dgl. sind; vor 1586 spielte eine solche Truppe am dänischen Hofe, später in Dresden, Wolfenbüttel, Kassel, von welcher häufige Kunstreisen in zahlreiche Städte Mittel- und Süddeutschlands unternommen wurden, so nach Frankfurt, Ulm, Augsburg, Basel, Nürnberg, Stuttgart, Darmstadt, Regensburg. Diese englischen Komödianten, Zeitgenossen Shakespeares, einige von ihnen ohne Zweifel seine Gehilfen, spielten anfangs in englischer Sprache, später, besonders als deutsche Schauspieler ihnen beitraten, deutsch; als es schon ganz deutsche Schauspielertruppen nach Art der älteren englischen gab, hiessen sie immer noch englische Komödianten. Man kennt den Charakter der von ihnen gespielten Stücke, die zum Teil auf englische Quellen, namentlich Shakespeare, zurückgingen, zum Teil auf älteren deutschen ruhten, teils aus Jakob Ayrers Spielen; denn dieser war[129] ihr Zuschauer gewesen und hatte ihre Art nachgeahmt; teils aus einer im Jahr 1620 ohne Angabe des Druckortes herausgekommenen Sammlung von 20 Stücken: »Englische Comedien und Tragedien,« teils aus den Stücken des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig, 15641613, herausgegeben von Holland, Bibl. des litt. Vereins zu Stuttg. 1855.
Die Bedeutung der englischen Komödianten liegt nicht in der Einführung des Clowns, den man in Deutschland nach dem niederländischen Namen Pickelhäring und die Zwischenspiele, die nur für ihn bestimmt waren, Pickelhäringsspiele nannte; noch weniger liegt sie in der barbarischen Sittenlosigkeit, welche ihren Stücken zum Teil eigen ist; sondern darin, dass sie zuerst in Deutschland die persönliche, individuelle Kunst des Mimenspiels aufbrachten und zugleich diejenigen Bühneneinrichtungen einbürgerten, die seitdem dem Theater eigen geblieben sind. Sie selber mussten noch in passenden Lokalen anderer Art, Fechtschulen, Ballhäusern, Rathäusern spielen; das erste Theater baute Landgraf Moritz von Hessen in Kassel, zu Ehren seines Sohnes Ottonium genannt. Seit den englischen Komödianten giebt es in Deutschland einen Schauspielerstand.
Mit dem 30jährigen Kriege hörte das Schauspiel fast überall auf, eine Belustigung des Volkes zu sein; es wurde entweder bloss Lesedrama oder ging an die Höfe über, und zwar entweder als Oper (siehe diesen Artikel) oder als Gelegenheitsdichtung ganz im Geiste der Opitz'schen Poetik. Fürstliche Hochzeiten, Kindtaufen und Geburtsfeste wurden mit hofmässigen Schauspielen gefeiert. Aus den Gelegenheitsschauspielen, die eine ernsthafte Handlung in hohem Stelzenschritt und daneben oder darin eine lustige Handlung mit flachen Spässen und Prügeleien vorstellten, entwickelten sich die Haupt- und Staatsaktionen gegen das Ende des 17. und im Beginn des 18. Jahrh.; die älteren komischen Figuren wurden darin durch die neueren des Pickelhäring und Hanswurst ersetzt. Der einzige namhafte dramatische Dichter der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. ist Andreas Gryphius, in dessen Werken der Einfluss der Antike, Shakespeares, der Volksschauspiele deutlich zu erkennen sind. Darzustellen, wie dann der französische Geschmack in Deutschland einheimisch wird und gegen ihn antiker und englischer Geschmack ankämpft, gehört nicht in den Rahmen dieser Skizze. Vgl. Prutz, Geschichte des deutschen Theaters, Devrient, Gesch. der deutschen Schauspielkunst, und ausser den Litteraturgeschichten namentlich von Gervinus, Wackernagel, Goedeke und Scherer, die Einleitungen zu: Schauspiele aus dem 16. Jahrh., herausg. v. Tittmann, 2 Bde.; Hans Sachs, die Schauspiele der englischen Komödianten, die Schauspiele des Herzogs H.J. von Braunschweig, Andreas Gryphius, sämtlich in den Sammlungen »Deutsche Dichter des 16. resp. 17. Jahrh. von Goedeke und Tittmann. Leipz. Brockhaus.«
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