Handarbeiten

[355] Handarbeiten der Frauen sind seit ältester Zeit Spinnen, Weben, Sticken und Nähen. Das Sinnbild der Frau ist die Kunkel; Spindelmagen heissen die Verwandten der Mutter, wie Schwertmagen diejenigen des Vaters. Flachsbau und Spinnen stehen unter der Obhut der germanischen Göttermutter, und Nornen wie Schwanjungfrauen und Riesinnen drehen feine Fäden aus Flachs. Leinene Kleider hielten in ältester Zeit die deutschen Frauen für die schönsten. Die Zubereitung des Flachses, das blauen, mhd. bliuwen, schwingen, mhd. dehsen, hecheln, bürsten besorgten bei den Reichen nur die Mägde; gesponnen wurde auch von der Fürstin und zwar am Rocken mittelst der Spindel; das Spinnrad ist erst im 15. Jahrhundert erfunden worden. Auf alten Bildern sieht man stets den Rocken zwischen den Knieen gehalten oder in einem Fussgestelle stecken, die Spindel wird in der Hand gehalten. So arbeiten die Frauen auch am Webstuhle, doch mehr für feinere Arbeiten, wie Borten, Gürtel, Hauben, Taschen u. dgl., und für gewöhnliche Leinwand. Das Weben der Wolle war bloss Arbeit unfreier Mädchen; das Haus, in welchem sie gemeinsam der Arbeit oblagen, hiess daher auch webehûs. Schon früh suchten sich arme Frauen durch Weben und Spinnen auch zu ernähren, meist gegen kärglichen Lohn, während die grossen Weber in Flandern und am Niederrhein wie in Süddeutschland zu grossem Reichtum gelangten. Auch in den Frauenklöstern wurde das Weben bald zum Vergnügen, bald zum Erwerbe betrieben; Spinnen und Weben wurde den Nonnen auf dem Aachener Konzil von 816 empfohlen. Bis zum 14. Jahrhundert waren es die Frauen, denen regelmässig das Geschäft des Zuschneidens und Nähens der Männer- wie der Frauenkleider zukam. Auch daran beteiligten sich Fürstinnen,[355] namentlich mit dem Zuschneiden. Der Ausbildung des höfischen Lebens verdankte man aber auch besondere Schneidermeister, snîdaere, die sich auf die fremde Mode verstanden. Besondere Sorgfalt wurde auf die Naht verwendet, die geradezu Beweis höfischen Anstandes ist. Die Lieblingsbeschäftigung vornehmer Frauen war Wirken und Sticken, wirken an der ram. Die Gegenstände waren seidene Bänder, Borten, welche mit Gold und Edelsteinen besetzt auf die Kleider, die Decken und den Kopfschmuck genäht wurden, oder es wurden auf die Stoffe Buchstaben und Bilder mannigfaltiger Art gestickt, aus der heiligen wie der profanen Geschichte; namentlich waren die Ecken und Enden der Kleider und Rossdecken derart geziert. Auf der Haube des Meiersohnes Helmbrecht war auf der rechten Seite die Belagerung und Zerstörung Trojas samt Aeneas Flucht zu sehen, auf der linken die Thaten König Karls und seiner Gesellen Roland, Turpin und Olivier; zwischen den Ohren stand die Rabenschlacht, wie Witege Helches beide Söhne erschlägt; dazu war von einem Ohr zum andern mit glänzender Seide ein Tanz genäht, zwischen je zwei Frauen ein Ritter, und die Fiedler dabei. Genäht hatte das Prachtstück eine entsprungene Nonne. Weinhold, Die deutschen Frauen, IV, und Schultz, Höfisches Leben, Abschn. II.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 355-356.
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