[500] Kleiderordnungen. Schon Karl d. Gr. sah sich veranlasst, durch besondere Erlasse dem Luxus in der Bekleidung entgegenzutreten, der ohne Zweifel durch fremde Hofleute an seinem Hofe Platz gegriffen hatte. Namentlich waren es die köstlichen Pelze, denen der Kaiser den Krieg erklärt hat. Ein mit Marder- oder Fischotterfellen gefütterter Rock der besten Art durfte nicht über dreissig solidus, ein solcher mit Zieselmausfell nicht über zehn solidus kosten. Doch erschien nach dem »Mönch von St. Gallen« Karl selbst wie einfach sein gewöhnliches Kleid war an hohen Festen vornehm geschmückt, und nicht minder traf das bei seiner Gemahlin und den Töchtern zu. Es ist daher wohl begreiflich, dass nach seinem Tode, unter der Herrschaft seiner schwachen Söhne und Enkel, die Prachtliebe ungehemmt sich entwickeln konnte. Es wich dann die sogenannte fränkische Tracht, namentlich vom 10. Jahrhundert an, allmählich der byzantinischen, die aus Italien herüberkam. Der aufstrebende Adel und die Städte wetteiferten in deren Anwendung, und aller Halt ging verloren, als dann gegen Ende des 13. Jahrhunderts Frankreich in jeder Beziehung tonangebend wurde, wo man wie Schriftsteller damaliger Zeit versichern am Hof Ludwigs IX. »sich bei weitem mehr nach einem kostbaren Marderpelz, als nach der ewigen Seligkeit sehnte.« Dort erhoben sich, besonders nach dem unglücklichen Ausgange der Schlacht bei Crécy, ernste Männer und schrieben das Unglück besonders der Hoffart und der sie begleitenden Sittenverderbnis zu. Die Posaunen fanden allerorts ihren Widerhall und wie französische Tracht, so fanden auch die Klagen und Verordnungen bald ringsum Eingang. Wir fassen jedoch an dieser Stelle nur die amtlichen Erlasse ins Auge und wenden unsern Blick in Kürze nach
Frankreich, dem Vorbild. Seit der Zeit Eduards III. (13371377) waren namentlich die Beamteten von Staatswegen gehalten, sich nach bestimmten Vorschriften zu kleiden. Den Gerichtsbeamten lieferte der König die Stoffe und zwar je nach dem Range Tuch und Seide, Lammfell und »Kleinspelt« zum Besatze. So lieferte Richard II. (13771399)[500] den Richtern zur Sommerkleidung je 10 Ellen grünes Tuch, den Oberrichtern 24 Ellen grünen Taffet, während letztere unter Heinrich IV. zu Weihnachten für eine Winterkleidung 10 Ellen »violet in grain« und 152 kleine Hermelinfelle erhielten, worunter 32 feinere zur Kopfbedeckung bestimmt waren. Zu Pfingsten erhielten sie 10 Ellen grünes Tuch und ein halbes Stück grünen »turtarin«. Die Tracht der übrigen Beamten wurde ebenfalls genau bestimmt und ebenso die der anderen Stände, so der Gelehrten, der Professoren und Studierenden. Die Ärzte z.B. trugen eine graue Robe, gegürtet mit schwarzem Hüftgürtel, auf dem Haupte eine schwarze Kappe, die mit breiten Lappen unter dem Kinn zusammengebunden wurde. Auffällige Auszeichnungen mussten sich auch hier, wie in Italien und später in Deutschland, die öffentlichen Mädchen und die Juden gefallen lassen. Erstere trugen Kappen mit weissen Merkzeichen, letztere nach den Verordnungen der Kirchenversammlungen von 1233 und 1267 ein langes Gewand, dem 1314 ein hornartig gebogener Hut von gelber oder gelbroter Färbung beigegeben wurde. Auch musste ihr Unterkleid auf der Brust oder ihr Mantel auf der Schulter mit einem roten orangefarbenen Rad versehen sein. Solche Abzeichen waren auch beliebte Strafmittel im »peinlichen« Rechtsverfahren. Fälscher und Falschmünzer stellte man einen ganzen Tag in einem weissen Gewand aus, welches mit umflammten Köpfen bemalt war. Verräter wurden mit pergamentenen Kronen geschmückt in den Strassen umhergeführt, und Falliten wurde die grüne Kappe aufgesetzt.
Zwischen 13301350 fand die französische Tracht in Deutschland Eingang. Diesem plötzlichen Umschwung in Sitte und Tracht trat man sofort energisch entgegen, aber auch schon von Anfang an mit wenig Erfolg. Namentlich waren es die städtischen Behörden, die dem »Teufelswerk« zu Leibe rückten, so diejenigen von Nürnberg schon 1443, hauptsächlich gegen die Frauen gerichtet. Bald folgte die Frankfurter Kleiderordnung und 1356 diejenige von Speier, welche alle durch ihre spiessbürgerliche Kleinigkeitskrämerei sich auszeichnen.
Im 15. Jahrhundert folgten sich in allen Städten die verschärften Ordnungen in immer kürzer werdenden Zwischenräumen. Sie vermochten jedoch dem einmal entfesselten Hange nicht Einhalt zu thun. Das »Lappen- und Zaddelwerk, die geteilten Kleider und Schnabelschuhe« blieben bestehen und veränderten sich oft in phantastische Maskenkleider, die, ihrem Zwecke so sehr entfremdet, den Umwillen der Besonnenen immer mehr reizten. Namentlich war es der reiche Bürgerstand, der es dem Adel zuvorthun wollte und konnte, sodass der letztere, um sich vor gänzlicher Verarmung zu schützen, nun unter sich freiwillige Vereinbarungen traf, z.B. 1479, vor dem grossen Turnier zu Würzburg: »Nachdem einem jeglichen Ritter guter Sammet und Perlen zu tragen vorbehalten ist, so haben wir doch hierin beschlossen, dass ihrer keiner einen golddurchwirkten Stoff noch gestickten Sammet tragen soll, darin er sich zu schmücken auf solchem oder anderem Turnier vornehmen wolle; welcher das überführe, der soll von allen Rittern und Edelen verachtet sein, auch in dem Turnier zu keinem Vortanz oder Dank zugelassen werden. Es sollen auch die gemeinen Edelen, so nicht Ritter und doch Turniers- und Rittergenossen sind, keinen Schmuck von Perlen, gestickt oder anders tragen, denn eine Schnur um eine Kappe oder Hut. Es soll auch keiner Gold, von Ketten,[501] Schnüren oder gestickt tragen, er trage es denn verdeckt und unsichtlich als es die Alten gethan und hergebracht haben. Und soll derselbe auch keinen Sammet, darin er sich auf solchem Turnier schmücken wolle, anderes denn zum Wams nach seinem Gefallen tragen, und welcher das überführe, der soll von anderen Rittern und Edelen verschmäht, der Vortänze und der Dänke beraubt sein. Es sollen auch da alle Ritter und Edelen, und besonders ein jeglicher Ritter, keine goldene Decke (oder Schabracke) und in der Gemeine von Adel von Sammet, von Damast, Alles keine Decke oder Wappenrock führen; welcher das nicht hielte, der soll dann von den anderen verschmäht, auch von den Franken im Turniere abgeschieden und der Vortänze, sammt des Turniers Dänken beraubt sein. Nachdem als wir die Ordnung unter uns, als den Mannspersonen gesetzt und die Nothdurft mit unsern Weibern, Töchtern und Schwestern auch Ordnung zu versehen erfordert, so ist gemacht, dass eine jegliche Frau oder Jungfrau nicht über vier Röcke, darin sie sich schmücken will, als Sammet oder gestickte Röcke haben soll. Darunter sollen nicht mehr denn zwei dem Sammet gemäss sein; ob sie anders diese hätte und die anderen nach ziemlichen Dingen die dem Adel, als die Alten hergebracht haben, wohl anständig; und welche Frau das nicht halten, sich mit Kleidern zu schmücken über diese Zahl anschicken und zu solchem Turnier gebrauchen thue, die soll von der gesammten Ritterschaft, Frauen und Jungfrauen, verachtet sein und der Vortänze und Dänke des Turniers beraubt bleiben. Und ob aus den gemeldeten Frauen und Jungfrauen etliche mit solcher Kleidung zu dem Geschmuck nicht als köstlich an Sammet versorgt wären, die sollen dennoch nach ihrem Stand zu Ehren gezogen werden.« Eine ähnliche Verordnung erliess um 1485 die Ritterschaft der Vierlande (Rheinland, Bayern, Franken und Schwaben) auf dem Turniere zu Heilbronn.
Der Bürgerstand, der sich an die Gesetze der Räte wenig kehrte, lud sich nun die Ungnade der Fürsten auf den Nacken. So erliessen um 1482 der Kurfürst Ernst und der Herzog Albert von Sachsen ihre Verordnungen, die allerdings wenigstens gegen den Ritterstand etwas milder waren als manche der übrigen »gnädigen Herren«. So erlaubten sie den ritterlichen Frauen und Jungfrauen ein Kleid zu tragen mit zwei Ellen langen Schleppen, dazu den Besitz einer seidenen Schaube, eines seidenen Rocks und zwei gestickter Röcke, jedes einzeln im Werte von höchstens 150 Gulden. Da aber auch diese fürstlichen Erlasse unbeachtet blieben, kam die Angelegenheit vor den Reichstag, der 1497 auf dem Abschied zu Lindau besondere Verfügungen traf.
Von grossem Erfolg waren diese Reichstagsverordnungen schwerlich begleitet, denn auf dem Tage zu Augsburg (1500) kam die Angelegenheit wieder zur Sprache und wurde beschlossen: »dass die Kurfürsten, Fürsten oder andere Obrigkeit bei Vermeidung kaiserlicher Ungnade die Reichstagsbeschlüsse in betreff der Überflüssigkeit der Kleider in ihren Ländern in Ausführung zu bringen hätten und zwar bis zum Sonntag Lätare d.J. 1501, und dass alle, welche bis dahin dem nicht völlig genügt haben würden, durch den Reichsfiskal mit Gewalt dazu genötigt werden sollten.« Diese Gesetze sollten hinsichtlich der Handwerker auch für »deren Frauen, Kinder und Mägde zu verstehen sein« und den Töchtern der Bürger in den Städten sollten Hauptbändlein und Perlen natürlich in ziemlichem Masse nicht unverboten sein. Hinsichtlich der [502] Juden und öffentlichen Dirnen (»Freudenmädchen«, »der Weiber, die an der Unehre sitzen«) galten im allgemeinen die gleichen Bestimmungen, die Frankreich aufstellte. In Berlin mussten letztere (1486) die Mäntel auf den Köpfen tragen, oder aber sie trugen ganz kurze Mäntel; die Lustigmacher und Narren trugen seit der Mitte des 15. Jahrhunderts möglichst buntscheckige Tracht mit einem weiten, sackförmigen, mit Glöckchen verzierten Hängeärmel, Schellenkappe mit Hahnenkamm, Eselsohren und Narrenkolben.
Auch das 16. Jahrhundert kämpfte nicht minder erfolglos. Die »neue kaiserliche Ordnung und Reformation guter Polizei im heiligen römischen Reich« erliess auf einem spätern Reichstage (1530) wieder zu Augsburg eine ganze Reihe derartiger Bestimmungen, die den Landleuten, den Städtern und zwar Bürgern wie Handwerkern, Handwerksknechten und Gesellen, den Kauf- und Gewerbsleuten, den Räten und Geschlechtern, dem Adel, den Grafen, Herren, Rittern und Doktoren, den Geistlichen, den Reisigen und Kriegsleuten, den Bergknappen etc. die kleinlichsten Vorschriften in bezug auf die Kleidung machten, »damit in jeglichem Stand unterschiedlich Erkenntnis sein möge«, und 1548 wurde beschlossen, die Obrigkeiten, die mit der Durchführung derselben nach Jahresfrist noch im Rückstande sein sollten, mit 2 Mark lötigem Golde zu bestrafen; der Erfolg blieb auch jetzt noch aus, der betroffene Bürger bezahlte nötigenfalls seine Strafe, übertrat aber das Gesetz bei der nächsten Gelegenheit wieder. Auch die Geistlichkeit benutzte Kanzel und Beichtstuhl, namentlich die nun auftauchenden »Pluderhosen«, die »unzüchtigen Teufelshosen« abzuthun; Kirchenstrafen und Bann waren nicht vermögend, der unglaublich raschen Verbreitung der »unflethig, schändlich, zerludert, zucht- und ehrenwegen, pludrigten« Kleidung Einhalt zu thun. Die Räte mussten auch hierin nachgeben. So erlaubte endlich derjenige von Braunschweig (1579) den Bürgern zu einem Paar Hosen 12 Ellen Seide, der von Magdeburg (1583) »den Schöffen, denen von den Geschlechtern, den Vornehmsten aus den Innungen und den Wohlhabenden von der Gemeinde« bis zu 18 Ellen Karteck, der von Rostock (1585) doch einsog den Adeligen 1214 Ellen. Die Kleiderordnungen verschwinden aus den obrigkeitlichen Erlassen erst zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Nach Weiss, Kostümkunde.
Buchempfehlung
Zwei späte Novellen der Autorin, die feststellte: »Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde: alle dummen Männer.«
72 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro