[553] Kruzifix. Die altchristliche Kunst begnügte sich mit typischen und symbolischen Andeutungen der Kreuzigung: das Opfer Abels, Melchisedeks, Abrahams, das Kreuz mit dem Gotteslamm am Fuss oder dem Brustbild des Erlösers an der Spitze. Die Aufnahme der Kreuzigung Christi in den mittelalterlichen Bilderkreis bereitete sich in den Streitigkeiten vor, welche man namentlich in Syrien über die beiden Naturen des Herrn führte; syrische Mönche haben im 6. Jahrh. zuerst den gekreuzigten Christus abgebildet. Seit dem 8. und 9. Jahrh. wird die Darstellung zunächst in Miniaturen und auf Elfenbeindeckeln gewöhnlich und nach und nach das verbreitetste Hauptbild der ganzen Christenheit. Zwei Hauptauffassungen müssen unterschieden werden: 1) der ältere, ideale Typus, nach welchem Christus lebend, zuweilen auch schon sterbend mit geneigtem Haupte, gewöhnlich mit wagerecht ausgebreiteten Armen, mit oder ohne Nimbus, niemals aber mit der Dornenkrone, frei am Kreuze auf einem Fussbrette steht, wobei Hände und Füsse entweder gar nicht oder mit vier Nägeln angeheftet sind. Der Leidende ist mehr oder weniger bekleidet. Dieser Auffassungsweise, die mit dem 13. Jahrh. erlischt, liegt die Idee von der Unsterblichkeit Gottes und der Freiwilligkeit des Leidens Jesu zu Grunde. 2) Der seit dem 13. Jahrh. herrschend werdende reale Typusr, bei welchem sich die Kunst enger an die geschichtliche und psychologische Wahrheit anschloss, ohne jedoch den Sieg des Lebens über den Tod aus dem Auge zu verlieren. Der leidende, sterbend oder bereits verschieden, das dornengekrönte Haupt nach der rechten Seite neigend, erscheint gewaltsam an den Armen aufgehängt und ist mit drei Nägeln an das hohe, immer mit I N R I bezeichnete Kreuz geschlagen, zu welchem Ende die Füsse übereinander gelegt sind, und zwar so, dass der rechte stets oben liegt. Das Kreuz, nach der Legende aus einem Baum gezimmert, den Seth vom Baum des Lebens auf das Grab Adams gepflanzt hatte, ist grün mit roten Ästen, seit dem 14. Jahrh. jedoch blutrot. Otte, Kirchliche Archäologie.