[1066] Wappen, das gleiche Wort mit Waffen, mhd. wâfen, wozu wâpen als niederdeutsche Bildung gehört; und zwar beide Formen wâfen und wâpen in beiderlei Bedeutung verwandt. Der Ursprung der Wappen liegt ohne Zweifel in dem Umstande, dass die gallischen und germanischen Völker in der Urzeit buntbemalte Schilde trugen und die Helme mit Tierfiguren ausschmückten; Tacitus Germ. 6. Diese Gewohnheit musste dazu führen, die Helmfigur und namentlich den bemalten Schild als Unterscheidungszeichen der Person zu benutzen. Die ältesten sichern Zeugnisse für das Vorhandensein wirklicher Wappen sind den Siegeln der Könige und des hohen Adels aus dem 11. und 12. Jahrhundert zu entnehmen. Sie zeigen den Inhaber entweder im Ornate, mit der Krone auf dem Haupte, auf dem Throne sitzend, oder, bei dem hohen Adel und zuweilen auch bei den Königen, in voller Rüstung mit Banner und Schild auf dem Pferde einhersprengend. Die Wappenbilder finden sich nun hier entweder auf Schild, Helm und Banner der Reitergestalt, oder für sich selbständig auf kleinen Siegeln, die als s.g. Gegensiegel auf der Rückseite der grossen Wachssiegel abgedrückt wurden und im Verlaufe, nachdem sie lange Zeit neben den grossen Siegeln vorgekommen, diese letztern völlig verdrängen. Das älteste bekannte Wappensiegel hängt an einer Urkunde des Grafen Robert I. von Flandern vom Jahr 1072 und zeigt auf dem Schilde bereits den flandrischen Löwen. Zahlreicher werden die Wappenbilder erst seit der Mitte des 12. Jahrhunderts, ja die meisten Geschlechter des hohen deutschen Adels können ihre Wappenbilder nicht vor der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nachweisen. Sogar die Reichswappen fixieren sich nicht in früherer Zeit. Die französischen Lilien, früher auch anderswo häufig vorkommendes Symbol des vom König gewährten Friedens, die englischen drei Leoparden, der aufgerichtete schottische Löwe in doppelter Lilienreihe erscheinen als feststehende Reichswappen erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Der deutsche Reichsadler zeigt sieh als ständiges Wappen erst auf den Siegeln Rudolfs von Habsburg, der Doppeladler erst unter Sigismund. Die vielen Sagen über den älteren Ursprung einzelner Wappen sind also sämtlich Fabeln und ein Wappensiegel des 10. Jahrhundert ist immer unecht.
Die Entstehung des Wappens ist also offenbar von der Entstehung und Ausbildung des Ritterwesens abhängig. Die Erhebung eines besonderen Ritterstandes verlangte ein äusseres Zeichen der Ritterwürde, die verhüllende Eisenrüstung ein besonderes Kennzeichen des einzelnen Ritters; die Standes- und Kriegerehre[1066] verlieh diesen Zeichen hohen Wort und bestimmte die Erben, an dem einmal angenommenen Zeichen festzuhalten, und die aufblühende Kunst beeilte sich, den willkommenen Gegenstand in würdiger Weise darzustellen. Die Ausbildung der Wappenkunde als einer Berufswissenschaft durch die Herolde (siehe diesen Art.) kam erst nach der höfischen Zeit auf; von den Herolden aber stammen die im 14. Jahrhundert systematisch entwickelten und schriftlich aufgezeichneten Regeln der Wappenkunst, Heroldskunst oder Heraldik her. Der französische Ausdruck l'art du blason wird von dem deutschen blasen abgeleitet, dem Hornrufe, womit der Ritter an den Turnierschranken den Herold zu rufen hatte. Das gebrauchte Horn soll dann auf dem Helm als Zeichen der geschehenen Zulassung befestigt worden sein.
Bestandteil des Wappens bildet Bild und Farbe des bemalten Schildes und der den Helm zierende Schmuck; von Schild und Helm wurden dann die Wappenfiguren auf den Wappenrock, das Panier, die Pferdedecke übertragen, so zwar, dass auch hier meist die Schildform, oft mit Beifügung des Helmes, beibehalten ist und das ganze als Nachbildung der zur Turnierschau ausgestellten oder der vom Ritter selber zu Pferde getragenen Waffenstücke sich darstellt. Meist sind die alten Wappenabbildungen, wie in der Manessischen Handschrift der Minnesänger, von der Art, dass man ohne irgend welche Veränderung den Ritter selbst nur hinter dem Schild in den Helm eingefügt sich zu denken braucht, um das volle Profilbild des Ritters zu haben, wie er, am linken Arme den Schild tragend, in kunstgerechter Stellung zu Pferde sitzt. Die Siegel des 13. und 14. Jahrhunderts, welche Wappen enthalten, haben ursprünglich häufig selbst Schilderform, daneben wird die runde Form, die den Schild bloss als inneres Siegelbild zeigt, immer gewöhnlicher. Dabei findet sich anfangs Schild und Helm selten vereinigt, entweder bloss Schild oder, namentlich in kleinen Handsiegeln, der Helm mit der Helmzier. Erst spätere Zeit verbindet regelmässig Schild und Helm. Im Verlauf der Zeit wurden die Wappen auf Siegeln und anderen Darstellungen immer reicher ausgeschmückt, Symbole der Amtswürde oder Adelsstufe des Inhabers, wie Kronen, Mützen, Hüte, Stäbe, auch Helmdecken kommen dazu; ferner im 16. und 17. Jahrhundert besondere Schildhalter, Devisen als Kriegsruf des Geschlechtes, endlich s.g. Wappenzelte oder Wappenmäntel, die von den Rittermänteln hergenommen sind.
Nur die Wappen der Städte, Kirchen und Klöster lassen sich nicht direkt von der Ritterrüstung ableiten, obgleich sie ebensowenig aus den älteren Siegeln dieser Korporationen abgeleitet werden können. Wahrscheinlich verdanken sie ihren Ursprung den Panieren, unter denen die Angehörigen der Stadt, des Bischofs oder Abtes zu Felde zogen; die Schildesform ist also hier blosse Nachahmung; die Wappenfarbe kann nur von der Farbe des Paniers oder der Kleidung der demselben zu Fuss folgenden Krieger herrühren. Alte Wappenrollen enthalten Städte- und Stiftswappen wirklich in Form von Fahnen.
Herrschafts- und Länderwappen sind durchwegs dem Geschlechtswappen des Herrn entnommen; erst wo etwa die Herrschaft wechselte und das ältere Wappen für das Land blieb, wurde die Herleitung verdunkelt; denn gewöhnlich nahm nicht das Land das Wappen des neuen Herrn, sondern der neue Herr das Wappen der neu erworbenen Herrschaft an.
Ursprünglich scheint man die[1067] Bilder zum Teil aus Pelzwerk ausgeschnitten und auf den Schild befestigt zu haben; daher die schwarze Farbe noch im 13. Jahrhundert gewöhnlich mit zobel bezeichnet wird; weiss ist hermîn. Die üblichen Farben sind Silber und Gold, dann Weiss, Schwarz, Rot, Blau, Grün; gewöhnlich ist das Feld Metall und das Wappenbild gefärbt, oder umgekehrt.
Über den Grund, welcher ein Geschlecht, eine Stadt oder Korporation veranlasste, dieses oder jenes Wappenbild anzunehmen, ist selten etwas Zuverlässiges anzugeben möglich. Am erkennbarsten liegt er vor bei den s.g. redenden Wappen, bei denen Bild und Name entsprechen sollen, oft zwar nach vollständig erfundener Etymologie, so wenn Helfenstein einen Elefant, Schaffhausen ein Schaf (einen Widder) im Wappen trägt; doch sind diese Bilder oft erst später adoptiert. Nicht selten ist das Wappenschild oder die Farbe zum Andenken an irgend eine tapfere Waffenthat verliehen oder angenommen worden. Unter den Tierfiguren erscheinen weitaus am häufigsten die Löwen und Adler, Symbole der Kraft und des Mutes, die schon im 12. Jahrhundert vorkommen; ursprünglich zu den vornehmsten Wappenbildern des hohen Adels gehörig, finden sie sich infolge von Verleihung oder als Zeichen der Abhängigkeit schon früh auch in Wappen des niederen Adels, der Ministerialen und Städte, oft so, dass das abgeleitete Wappen durch eine Veränderung seiner Farbe oder Figur oder durch einen Zusatz zu der letzteren von seiner Quelle unterschieden wurde; so finden sich die Löwen der schwäbischen Herzöge nicht selten in den Schilden des schwäbischen Adels, die Löwen der Grafen von Kiburg in den Wappen der Städte Winterthur, Diessenhofen und Andelfingen. Andere alte Wappenzeichen sind der Leopard, die Bärentatze, die wilde Meerkatze, der Wolf, der Eber, der Hirsch, der Steinbock, der Widder, der Greif, der Windhund, der Strauss, der Papagei, Fische, das Schiff. Auch Zeichen des in der Familie erblichen Amtes oder Dienstes können die Wappen sein; so führen manche Truchsessen-Gesehlechter einen Kessel oder eine Schüssel, manche Schenken einen Becher im Schilde; häufiger in des deutet nur das Helmkleinod auf ein solches Verhältnis hin, wobei das sonstige Familienwappen ungestört bleibt; die geistlichen Herren, die Kurfürsten und Fürsten haben Hüte und Mützen in bestimmter Form, und von ihnen abgeleitet mitunter auch ihre Vasallen; daneben kommen dieselben Stücke als Symbole der Freiheit, zuweilen wohl auch ganz ohne Bedeutung häufig vor, als Helmzier oder auch bloss als Unterlage einer solchen. Kronen finden sich als s.g. Rangkronen nicht bloss in den Wappen des hohen Adels, sie kommen schon um 1350 in den Siegeln des niederen Adels vor. Auch auf die Beschaffenheit der Helme selbst wurde bis gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts kein besonderes Gewicht gelegt; der gewöhnliche Helm in Wappen und Siegeln war der einfache geschlossene; seit Ende des 15. Jahrhunderts galten dagegen geschlossene oder s.g. Stechhelme für Zeichen eines nicht adeligen, offene oder s.g. Turnierhelme als Zeichen eines turnierfähigen adeligen Geschlechts.
Die Bedeutung des echten Wappens besteht darin, dass es Zeichen eines rittermässigen, turnierfähigen und seit Ausbildung des niedern Adels adeligen Geschlechts ist. Wappengenoss, wâpengenôz, zu Schild und Helm geboren und ritterbürtig sind gleichbedeutende Ausdrücke. Erteilung eines Wappenbriefes fallt mit der Erhebung in den Adelsstand zusammen. »Seit Ende des 14. Jahrhunderts dehnte sich jedoch[1068] der Gebrauch der Wappen, namentlich bei den Bürgern der Städte, viel weiter aus. Je mehr die wirklich rittermässigen Geschlechter der Bürgerschaft mit den andern zu einer Genossenschaft zusammenschmolzen und Mühe hatten, ihren Stand gegenüber der nicht in Städten niedergelassenen Ritterschaft zu behaupten, desto mehr näherten sich ihnen die bürgerlichen Geschlechter, insofern diese wenigstens kein unritterliches Gewerbe trieben; und die Unterscheidung wurde um so geringer, als ja ursprünglich diese Standesverschiedenheit nur auf der Lebensart beruht und die Unterlage persönlicher schöppenbarer Freiheit gerade in den Städten auch ausser dem Adel üngeschwächt sich erhalten hatte. Dazu halfen die Privilegien mit, die den Bürgern einzelner Städte allgemeine Lehensfähigkeit erteilten. Das Wappen konnte hier um so weniger mehr als ein Zeichen des Adels gelten, als es überhaupt die Beziehung auf Ritterschaft und Kriegswesen immer mehr verlor und die praktische Bedeutung auf das Siegelbild sich konzentrierte. In der Schweiz dehnte sich der Gebrauch der Wappen sogar auf die Bauern und auf einzelne Dörfer aus. Doch unterschied die strenge Heraldik fortwährend zwischen adeligen und nicht adeligen Wappen, und gab nur den erstern die Kraft des eigentlichen Wappens.«
Seit der vollendeten Ausbildung des Wappeninstitutes im 14. Jahrhundert gilt das eigentliche Wappen als notwendig und unveränderlich. Wappenverleihungen kommen erst im 14. Jahrhundert vor; bei bürgerlichen Familien wurde, früher wie später, das Wappen willkürlich von dem hierzu Berechtigten angenommen. Das Wappen vererbt sich nach den Grundsätzen der Familienerbfolge auf die ebenbürtigen Nachkommen; es gilt als ein wichtiges nutzbares Recht, dessen Verletzung durch Verhöhnung, Missbrauch oder unbefugte Anmassung Anrufung des richterlichen Schutzes und Strafe rechtfertigen kann; es kann sogar als Teil des Vermögens veräussert werden, wie z.B. der Freiherr Leuthold von Regensburg 1370 sein Helmkleinod, den Brakenkopf, aus Geldnot den Burggrafen von Nürnberg verkaufte. Viel grösser aber ist die sonstige Bedeutung des Wappens. Ritterehre und Familienstolz vereinen sich, den Ruhm des althergebrachten Wappens zu wahren und zu erhöhen. Veredlung des Wappens durch kaiserliche Verleihung ist höchste Belohnung bewiesener Tapferkeit; während dem Verbrecher der Wappenschild vom Herold umgestürzt und durch den Kot geschleift wird, deckt edel gebliebene Toten noch im Grabe der Stein mit dem Wappenbild; stirbt aber der letzte des Geschlechtes, so wird über dem Grabe, da auch Schild und Helm ihn nicht überleben soll, das Ehrensymbol feierlich zerschlagen. Meist nach Friedrich v. Wyss. Über Ursprung und Bedeutung der Wappen, im sechsten Bande der Mitteilungen der Zürcher Antiquarischen Gesellschaft. Schultz, höfisches Leben, II, Abschnitt 1. Vgl. Mayer, C. v., Herald. Abc-Buch, 1857, und O. Hefner, Handbuch der theoretischen und praktischen Heraldik, 1863.
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