Zoll

[1118] Zoll, ahd. und mhd. der zol, entlehnt aus dem gleichbedeutenden griechisch – mittellateinischen telonium wie Maut, mhd. mûte, ahd. und mittellat. mûta, got. mota, zu lat. mutare = verändern, wechseln, ist eine den Deutschen ursprünglich fremde, aus dem römischen Reiche in das merovingisch-fränkische herübergenommene Abgabe, die ursprünglich keinen anderen Zweck hat, als Geld aufzubringen. Die Zölle sind ursprünglich weder Ausfuhr- noch Einfuhrzölle, sondern Transitzölle, insofern sie überall gezahlt[1118] werden, wo eine Ware eine bestimmte Zollstätte passiert; diese letzteren aber sind überall angelegt, wo ein lebhafterer Verkehr stattfindet, nicht bloss an den Häfen oder an den Grenzen, sondern auch an allen bedeutenden Städten. Bestimmte Zolllinien gab es nicht, so wenig als es einen Zoll für den Ort gab, wohin die Ware bestimmt war; vielmehr musste diese einfach, so oft sie einer Zollstätte begegnete, die festgesetzte Abgabe zahlen. Diese scheint ungefähr nach dem Wert und dann nach ganzen Wagen- oder Schiffsladungen berechnet zu sein. Die Zahlung geschah regelmässig nicht in Geld, sondern in den Waren selbst. Regelmässig war mit jedem Markt eine Zollerhebung verbunden, welche erlassen wurde, um einen neuen Markt zu begünstigen, oder demjenigen zufiel, dem der Markt gehorte; bestimmten Personen oder geistlichen Stiftern wurde unter Umständen Zollfreiheit für alle oder einzelne Gegenstände verliehen. Abgaben ähnlicher Art wurden für die Erlaubnis erhoben, gewisse Strassen zu Lande oder zu Wasser zu passieren, Strassengelder, Brückengelder, Thorgelder, Marktgelder, Lasttiergelder, Wagengelder, nach den Rädern oder der Deichsel berechnet u.a.

Diese Zustände blieben im ganzen und grossen während des Mittelalters herrschend: eine Abgabe auf den Märkten und überhaupt bei allem Handel, ein Schiffsgeld in den Häfen und an den Flüssen, und eine Zahlung, die hauptsächlich an den Brücken und anderen Übergängen, dann aber auch in Städten vorkam. Unter mancherlei Vorwand wurden die Leistungen, namentlich der letzteren Art, nicht bloss im Namen des Staats, sondern auch, häufig missbräuchlich, von den Anwohnern der Strassen und Flüsse und den Erbauern der Brücke erhoben. Oft wurde über alle diese Abgaben zu gunsten anderer verfügt, sei es, dass der König Zollfreiheiten erteilte, bald allgemein, bald für bestimmte Routen oder Gebiete, für eine bestimmte Anzahl von Waren und eine bestimmte Anzahl von Schiffen, sei es, dass die Erträgnisse selbst oder gewisse Quoten an andere, namentlich an geistliche Stifter verliehen wurden, welche dann regelmässig selbst die Erhebung und ihre eigenen Zöllner hatten. So kamen Zölle und ähnliche Abgaben in die Hände von Privaten, was wiederum allerlei Missbräuche zur Folge hatte. Feste Grundsätze über die Höhe der Abgaben gab es nicht.

Mehr und mehr war der Zoll aus den Händen des Reiches in den Besitz der Landesherren und Gemeinden übergegangen und dadurch die ehemals so ergiebige Einnahmequelle des Reiches versiegt; auch die Oberaufsicht über das Zollwesen war seit Friedrich II. und seinen Nachfolgern an das Kurfürstenkollegium gekommen, welches sich jene regelmässig in den Wahlkapitulationen vom Kaiser bekräftigen liess. Das Bestreben, den landesherrlichen Zollbesitz gegen den Widerspruch der Unterthanen und die Zolleinnahmen durch Befriedigung der Landstrassen zu sichern, machte seit dem 14. Jahrhundert das Zollwesen zum Gegenstand öffentlicher Verträge oder Zolleinigungen zwischen den Landesherren, die neben den Landfrieden hergingen oder in denselben eingeschlossen waren. Beim städtischen Zollwesen ist zwischen Markt- und Durchfuhrzöllen zu unterscheiden; jene kamen früher als diese in den Besitz der Städte und waren untrennbar mit dem Marktrechte verbunden (vgl. den Art. Städte); so zwar, dass beides ursprünglich dem Herrn des Marktes gehorte, von dem die Gemeinde es erst gemäss ihrer örtlich bedingten Verhaltnisse durch Verpfändung, Kauf oder Beleihung an sich brachte, worauf es[1119] erst zu einem unabhängig verwalteten städtischen Zollwesen umgestaltet werden konnte; dieses geschah seit dem Ende des 12. Jahrhunderts. Verleihungen von Weg- und Brückengeldern an Städte und Gemeinden werden ebenfalls häufig, und seit dem 14. Jahrhundert begannen Zollerwerbungen durch einzelne Bürger. In jeder Stadt gestaltete sich übrigens das Zollrecht anders, stand aber den landesherrlichen Zollrechten gleichwertig zur Seite. Von besonderer Wichtigkeit für die Städte sind die Zollbefreiungen, die sich jene mit Plan und Überlegung an allen denjenigen Zollstätten zu erwerben suchten, welche auf den für die Stadt wichtigen Handelslinien lagen. Darin liegen die Anfänge einer städtischen Handelspolitik, die sich namentlich seit dem Ende des 12. Jahrhunderts in Gegenseitigkeitsverträgen manifestierte. Diejenigen zwischen Hamburg und Lübeck bilden den Ausgangspunkt für die Handelspolitik der Hansa. Auch die Landesherren richteten seit dem 13. Jahrhundert ähnliche Verträge mit den Städten auf; Nürnberg z.B. erwarb sich auf solche Weise Zollfreiheit in mehr als 70 Städten. Damit aber dennoch das alte Zollrecht gewahrt bleibe, wurde die Zollfreiheit immer nur als eine freiwillig gegebene Vergünstigung aufgefasst, um welche formell der Begünstigte jährlich von neuem nachsuchen musste; es geschah das durch gesetzlich bestimmte symbolische Geschenke, die sich seit dem 15. Jahrhundert zu bunten Förmlichkeiten, in Frankfurt a.M. z.B. zum Pfeiffergericht ausgestalteten. Die Geschenke bestanden aus dem Zeichen der ursprünglich königlichen Landesobrigkeit, den Handschuhen, entweder einem Paar oder nur dem rechten, und zwar ohne Daumen. Daran schloss sich das weisse Stäblein, das Symbol der anerkannten Gerichtsbarkeit der Zoll- und Marktherren; als Symbol für die ursprünglich in Waren bezahlten Abgaben galt der Pfeffer, das Lieblingsgewürz des Mittelalters. Ein anderes symbolisches Überbleibsel des Naturalzolles war der Hut, wozu an manchen Zollstätten noch Hutschnüre kamen; Überbleibsel des alten Naturalzolles von Holzwaren war der weisse hölzerne Becher, der vielleicht auch für den Weinzoll vorkam; der Waffenhandel bewahrte sein Andenken in der Übergabe eines Schwertes oder Degens; Gürtler- oder Sattlerwaren wurden durch einen ledernen Gürtel, der Eisenhandel durch ein eisernes Gefäss oder ein Pack Nähnadeln repräsentiert.

Derjenige Beamte, dem die Aufsicht über den Zoll oblag, hiess der Zöllner, neben welchem seit dem 13. Jahrhundert ein Zollschreiber erscheint; mit dem Amte des Zöllners war immer eine strafrechtliche Gewalt gegen die Übertreter der Zollgesetze verbunden. J. Falke, Geschichte des deutschen Zollwesens, Leipzig 1869; Waitz, Verfassungs-Geschichte.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 1118-1120.
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