Vater

[650] Vater von der Himmelspforten, Pater de coeli porta. oder der heilige Vater, Pater sanctus (6. Oct. al. 20. Dec.). Mit diesem Namen wird sehr oft der heil. Conrad aus Hildesheim (siehe Conradus32) bezeichnet. Da die Angaben über diesen Heiligen im H.-L. unter genanntem Artikel mangelhaft sind, so soll bei dieser Gelegenheit das Versäumte nachgeholt werden. Der hl. Conrad wurde zwischen 1185–1192 wahrscheinlich in Italien geboren, gesellte sich alsdann als einer der Ersten dem heil. Franciscus bei und gelangte, als dieser seine Jünger nach allen Ländern entsendete, mit zwei andern Brüdern nach einer an Schmach und Verfolgung reichen Reise nach Norddeutschland. Zuerst nahm er seinen Aufenthalt in Thüringen, jedoch kam er bald durch Vermittlung der heil. Elisabeth nach Hildesheim, wo er des Tags als Bettler seinen Unterhalt sich erbettelte, des Nachts aber unter der großen Brücke vor dem Dammthore seine Wohnung hatte. In buchstäblicher Erfüllung der Nachfolge Christi hatte der Heilige mit seinen Genossen nicht, wohin er sein Haupt legen konnte. Doch sein Aufenthalt daselbst blieb nicht lange unbekannt; die Thorwächter bemerkten des Nachts einen Lichtschein unter der Brücke und die Anwesenheit der Fremden wurde sogar dem Bischofe mitgetheilt. Dieser, Konrad mit Namen, ein heiliger und gelehrter Mann, wie Thrithenheim ihn nennt, ließ die Fremdlinge zu sich kommen und erbaute ihnen, nachdem er den Zweck ihrer Ankunft erfahren hatte, ein Kloster am Steine. Vorläufig sollten die Mönche bis zur Vollendung desselben im Godehardikloster ihre Wohnung nehmen, doch blieben sie in ihrer Demuth unter der Dammthorbrücke wohnen. Später erst siedelten sie in das neue Kloster am Steine über. So erzählt die Tradition die Ankunft dieses heiligen Mannes in Hildesheim; ob alles vor der Kritik Bestand hält, will ich nicht behaupten. Glaubwürdige Nachrichten sind über die ersten Anfänge des Franciscanerklosters nicht da. Daß übrigens Konrad der erste Franciscaner zu Hildesheim war und unter Bischof Konrad ll. daselbst gewirkt hat, ist außer allem Zweifel. Auch sein Aufenthalt unter der Dammthorbrücke ist ziemlich erwiesen, wenigstens stand bis zum J. 1736 sein Bildniß daselbst. Konrad konnte weniger durch Worte als durch Thaten predigen, da er der Landessprache nicht sogleich mächtig war. Die Sage berichtet, daß die hl. Jungfrau ihm einst das Jesuskind zum Kusse gereicht habe. Auch war Konrad durch die Wundergabe schon bei Lebzeiten ausgestattet. Das Volk pflegte ihn daher nur den »hilgen Bader« pater sanctus zu nennen. Konrad starb am 6. Oct. sein Todesjahr ist unbekannt, im 68. Jahre seines Lebens. Sein Leib wurde in der Franciscanerkirche zum heil. Martin am Steine beigesetzt. Wunder verherrlichten sein Grab. Mehr als über sein Leben können wir über seine Verehrung angeben. In der üblichen Weise ist Konrad nicht vom apostolischen Stuhle canonisirt, wenigstens findet sich keine Andeutung hievon. Aber er führt beständig den Titel: »Conradus sanctus« oder pater sanctus. Sein Grab in der Franciscanerkirche wurde über dem Erdboden erhöht und mit seiner Statue. in Stein gehauen, geschmückt. Bei dem Volke genoß er eine hohe und verbreitete Verehrung; wie daraus ersichtlich ist, daß die aufrührerischen Bürger bei der sogenannten Reformation um 1544 sein Grab dem Erdboden gleich machten und den Grabstein verkehrt legten, damit nie eine Spur von demselben wieder entdeckt werde. So wollte man dieses »Gräul des Papstthums« beseitigen. Doch als nach eingetretener Ruhe die Mönche in ihre Klosterzellen am Steine zurückkehrten, suchten sie sein Grab wieder auf und fanden es am 14. April 1633. Die Reliquien wurden demselben jetzt entnommen und auf dem Altare zur öffentlichen Verehrung ausgestellt. Als die Franciscaner in Folge des Restitutions-Edictes zum zweiten Male aus Hildesheim weichen mußten, nahmen sie dieselben mit fort. Der Weihbischof zu Hildesheim, Bischof Johann von Mysien, verlieh am 8. Dec. 1466 allen, welche das Grabmal Konrad's besuchten, einen Ablaß von 40 Tagen; ferner war Konrad's Bitd mit Heiligenschein noch bis zur Mitte vorigen Jahrhunderts auf der Brücke vor dem Dammthore. Konrad's Name ist endlich [650] eingetragen in das Menologium Seraphicum von Hueber (20. Dec.), in die Annalen des Franciscanerordens von Wadding, in der Chronik der drei Orden des hl. Franciscus von Janning (zum I. 1249) und in das Martyrol. der Franciscaner von Artur (zum 20. Dec.). Seine Verehrung scheint auch noch nach der Reformation tief im Volke gewurzelt zu haben, denn der protestantische, sonst um die hildesheimische Geschichte sehr verdiente Pastor Bernard Lauenstein hält es noch in seiner Reformationsgeschichte (erschien 1736) für nothwendig, Konrad's Wunder zu bespötteln und als Pfaffenmärchen hinzustellen. Im Jahre 1633 schrieb der Vicar der Mindern Brüder Johannes Gülicher »das Leben des gottseligen Bruders Conradi, den man genennet hat patrem sanctum.« Dasselbe habe ich aber trotz aller Bemühungen nicht erhalten können. – Das Andenken an den hl. Konrad lebt noch in Sagen und Erzählungen unter dem Volke fort, eine kirchliche Verehrung genießt er indeß nicht mehr. Das Franciscanerkloster am Steine ist zum Waisenhause protest. Confession, die große spätgothische Klosterkirche zum städtischen Museum umgewandelt. (Dr Grube.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 650-651.
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