Anaximander

[176] Anaximander, der Landsmann und nächste Schüler von Thales, war wie dieser durch mathematische, astronomische, physikalische u. geographische Kenntnisse ausgezeichnet. In der Reihe der jonischen Naturphilosophen nimmt er die zweite Stelle ein. Hatte Thales den Urgrund der Dinge in dem sinnlichen Stoffe des Wassers gefunden, so war es ein Fortschritt der Spekulation, wenn Anaximander in der abstrakten Vorstellung des Stoffes überhaupt, in der räumlich unbegränzten, aber belebt und bewegt gedachten Materie diesen Urgrund anschaute. Aber aus dem abstrakten, unbestimmten, keine qualitativen Unterschiede in sich schließenden Allgemeinen kann kein konkretes Dasein entstehen. Hiemit war in dem System As. eine Lücke, welche er freilich im Widerspruch mit seiner Grundanschauung dadurch auszufüllen suchte, daß er zur Erklärung der Weltbildung die Gegensätze des Warmen und Kalten, des Feuchten und Trockenen aus dem Unendlichen sich abscheiden läßt.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 176.
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